Marshall Rosenberg Interview mit Guy Spiro

29. Oktober 2013

Im April 1992 veröffentlichte Guy Spiro in der Zeitschrift „The Monthly Aspectarian: Chicago’s New Age Magazine“ ein Interview mit Marshall Rosenberg. Dieses Interview ist aus mehreren Gründen lesenswert. Marshall Rosenberg äußert sich ausführlich zu seinem Verständnis der Liebe. Außerdem erklärt er, wie er die Symbolfiguren der Gewaltfreien Kommunikation (Giraffe und Wolf/Schakal) entwickelt hat. Das Interview beginnt mit einer Definition der Gewaltfreien Kommunikation GFK und erklärt deren Nutzen anhand von sechs Beispielen. In diesem Blog finden Sie die Kernaussagen des Interviews und die Bezugsquellen, wenn Sie das Interview komplett lesen wollen.

Marshall Rosenberg über Liebe

Marshall Rosenberg definiert Liebe nicht als Gefühl, sondern als eine Handlung. Im Interview beschreibt er zwei Arten von Liebeshandlungen: (1) „Liebe bringt offen an den Tag, was in Ihrem Herzen vorgeht, ohne Kritik am anderen, keine Forderungen, nur ehrlich zeigen, was Ihre Gefühle sind und was Sie brauchen. Das ist für mich eine Liebeshandlung, (…) weil es dem anderen Menschen eine Gelegenheit gibt, zu Ihrem Wohlergehen beizutragen.“ (2) „Die andere Liebestat ist einfühlend aufzunehmen, was in anderen vor sich geht (…); zu sehen, was der andere Mensch fühlt und braucht“.

„Die Definition für Liebe ist so gesehen Tat, Handlung. Wir brauchen sie nicht als Gefühl.“ Liebe wird bei Marshall Rosenberg als „Mitgefühl und Ehrlichkeit“ verstanden.

Im Interview verweist Marshall Rosenberg darauf, dass viele herkömmliche Definitionen von Liebe entweder zum Verzicht auf eigene Bedürfnisse und zu eigener Aufopferung raten oder Liebe mit der hypothetischen Fähigkeit verbinden, stets erraten zu können, was andere Menschen brauchen (noch bevor diese Menschen selbst wissen, was sie wollen). Beide Wege führen nach Marshall Rosenberg auf direktem Weg in die Depression.

Wie Marshall Rosenberg zu seinen Handpuppen kam

Eines Tages fragte Marshall Rosenberg eine Ehefrau im Seminar, ob ihr Mann sich wie ein Schakal verhalten würde. Die Frau reagierte sehr stark auf dieses Bild. Die Seminargruppe übte daraufhin den ganzen Tag, Schakale mit Gewaltfreier Kommunikation zu zähmen. Eine Teilnehmerin schenkte Marshall Rosenberg zum Dank eine Schakal-Marionette.

Beim nächsten Seminar eröffnete Marshall Rosenberg den Tag mit der Frage: „Kennt sie jemanden, dessen Benehmen einem Schakal gleicht?“ Daraufhin zog er die Puppe aus dem Koffer. Mit Hilfe der Puppe konnte er den Prozess der Gewaltfreien Kommunikation auf eine vergnüglicher Art lehren als vorher.

Gleichzeitig gesteht Marshall Rosenberg im Interview mit Guy Spiro ein, dass die Puppen (in Deutschland der Wolf und die Giraffe) auch als Einladung für eine „Etikettierung von menschlichem Verhalten“ missverstanden werden können. Wenn eine Gruppe jedoch spielbereit sei, erleichterten die Puppen den Zugang zu einem manchmal „bedrückenden Thema“. Statt jedes Mal umständliche Formulierungen für den „Prozess der Gewaltfreien Kommunikation“ etc. zu gebrauchen, sage er dann: „Giraffe wird verlangt.“

Marshall Rosenberg definiert das Ziel der Gewaltfreien Kommunikation

„Die hauptsächliche Absicht hinter dem Prozess der Gewaltfreien Kommunikation ist, eine Grundlage zu schaffen, auf der Leute aus Mitgefühl aufeinander eingehen. Wo sie klar die gegenseitigen Bedürfnisse verstehen und fähig sind, sich derart zu verständigen, das es anderen leichter fällt, auf diese Verlangen und Nöte einzugehen.“ Von dieser „Sprache des Herzens“ grenzt Marshall Rosenberg gegenseitige Klassifizierungen und moralische Einstufungssysteme ab. „Man beachte, dass diese Einstufungssysteme vom Verstand kommen. Es ist eine Art, andere intellektuell zu analysieren und sie in verschiedene Schattierungen von gut und böse, richtig und falsch einzustufen.“

Beispiele für die Überwindung von Richtig/Falsch-Denken

Marshall Rosenberg belegt die Behauptung, dass die Überwindung von Richtig/Falsch-Denken die Bereitschaft erhöht, sich gegenseitig Bedürfnisse zu erfüllen, im Interview von Guy Spiro mit sechs Beispielen aus seiner beruflichen Tätigkeit:

  • Konflikt in der Westbank zwischen Israelis und Palästinensern zum Thema „Dialog“
  • Konflikt in Kalifornien zwischen Landbesitzern und Saisonarbeitern zum Thema „Rassismus“ und „Gesetzesbefolgung“
  • Konflikt in Toronto (Kanada) zwischen einem Ehepaar zum Thema „Gewalt in der Ehe“
  • Konflikt zwischen einem Vater und einem Sohn zum Thema „Verantwortungsbewusstsein“
  • Konflikt zum Thema „Macht und Geld“ in der Westbank
  • Konflikt zwischen einer Schulverwaltung und Schülern in Virginia (USA) zum Thema Teilnahme an GFK-Seminaren

Bezugsquellen für das Marshall Rosenberg Interview von Guy Spiro

Das vollständige Marshall Rosenberg Interview von Guy Spiro können Sie im Connex-Shop bestellen

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