Empathie-Training
Organisationsentwicklung
Konfliktmanagement
Einlassen, zulassen, loslassen
Zusammenbringen, was zusammen gehört: Achtsamkeit in GFK- und Mediationstrainings
von: Al Weckert
in: Kommunikation & Seminar, April 2014, S. 21-23
Das Training von Achtsamkeit bereichert das Vertiefen der Gewaltfreien Kommunikation enorm. Achtsamkeitsübungen lassen sich mühelos in GFK-Seminare und Mediationsausbildungen einbauen:
Im Kommunikationsalltag ist Achtsamkeit nach meiner Erfahrung untrennbar mit der Praxis der Gewaltfreien Kommunikation verwoben. Welche Effekte hat Achtsamkeit für den Erfolg von GFK- und Mediationstrainings und für die alltägliche GFK-Anwendung? Hierzu einige Beispiele.
Beim GFK-Tanzparkett, andere nennen es Giraffentanzparkett, werden die Schritte der Gewaltfreien Kommunikation in Kartenform auf dem Boden ausgelegt. Wer den Fall einbringt, bewegt sich, begleitet vom Trainer oder einem Gruppenteilnehmer, von Karte zu Karte mit seinen eigenen Beobachtungen, Gefühlen, Bedürfnissen und Bitten. Eine zusätzliche fünfte Karte liegt daneben und gibt dem Akteur Raum, die Gedanken zu seinem Fall zu sortieren, vor allem seine Bewertungen und Urteile in Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten zu übersetzen.
Die Übertragung von Gedanken in damit verknüpfte Empfindungen und Bedürfnisse ist ein aktiver Selbsteinfühlungsprozess. Er erfordert ein Höchstmaß an Feinfühligkeit und wertfreier Akzeptanz gegenüber inneren Stimmen, Körperwahrnehmungen und Emotionen. Da jede Wahrnehmung neue Emotionen oder Gedanken auslösen kann, ist das GFK-Tanzparkett ein offener Prozess, der sich von Minute zu Minute weiterentwickelt. Die Qualität des Prozesses und dessen Ergebnisse („Was lernt der Falleinbringer über sich und seine Themen?”) hängen maßgeblich davon ab, wie sich die Beteiligten auf die spontanen Impulse des Falleinbringers und die feinstofflichen Resonanzen der Begleitperson einlassen können. Nützlich sind vor allem Neugier, Offenheit und Akzeptanz.
Die thematische Offenheit für jede Form von Wahrnehmung führt zu einem weiten Bewusstseinszustand, der in der Lehre der Achtsamkeit als „Panorama-Bewusstsein” bezeichnet wird. Der stetig wechselnde Fokus zwischen den vier Schritten der GFK und der Wahrnehmung bewertender Gedanken führt Schritt für Schritt zu Klarheit und Erkenntnis. Teilnehmer bezeichnen das GFK-Tanzparkett häufig als Lieblingsübung.
Anfängern fällt es schwer, die notwendige Offenheit für diese Übung aufzubringen. Sie hasten durch die vier Schritte, um möglichst schnell Bedürfnisse und damit verbundene Bitten formulieren zu können. Dabei springen sie von der Vergangenheit (Konflikt, Ärger, Schuldzuweisung) mit hohem Tempo in die Zukunft (Lösungsidee, Forderung, Bitte). Der eigentliche Gewinn des GFK-Tanzparketts liegt jedoch in der Entschleunigung, der tieferen Erkenntnis und der Präsenz im Hier und Jetzt.
Mithilfe der vier Schritte der GFK hält der Falleinbringer den rasenden Strom seiner Gedanken an, um Stress erzeugende automatisierte Handlungsabläufe zu unterbrechen. Muster, die das Leben prägen, können sichtbar werden. Die Identifikation mit bewertendem Denken („Das geht nicht „. “, „Dieses Verhalten ist falsch „. “) weicht einer Akzeptanz gegenüber Emotionen und Bedürfnissen. Es entsteht Klarheit über das eigene Empfinden und über die Gefühle anderer. Es wächst das Bewusstsein für die Motive von Anliegen und Wünschen, die im Raum stehen.
Mediatoren stehen vor der besonderen Herausforderung, eine klare und wertschätzende Haltung aufrechtzuerhalten, wenn ihre unmittelbare Umwelt in Aufruhr und Stress gerät. Eine wesentliche Voraussetzung für diese Haltung sind Gleichmut und Gelassenheit: sich allen Themen und Stresslevels gleich mutig zu stellen sowie sich einzulassen, etwas zuzulassen und es auch wieder loslassen zu können. Das wiederum erfordert Klarheit der Wahrnehmung und Ruhe des Geistes. Bevor sich Mediatoren offen auf die Anliegen von stark emotionalisierten Streitparteien einlassen können, müssen sie über die Fähigkeit der wertfreien Wahrnehmung von eigenem und fremdem Erleben verfügen. Deshalb ist das tägliche Training eines „inneren Beobachters” festes Element meiner Mediationsausbildungen.
Es gibt ein unerschöpfliches und vielfältiges Angebot von Möglichkeiten für das Achtsamkeitstraining. Die Übungen fordern die Teilnehmer als Einzelperson und bieten eine Abwechslung zu Rollenspielen und Theorieinputs. Viele Achtsamkeitsübungen erfordern nur einen geringen Zeitaufwand. Sie sprechen unterschiedliche Sinne an und führen den Teilnehmern frische Energie zu.
Die Teilnehmer können zum Beispiel morgens ihre Gefühle körperlich darstellen. Dieses Training erfordert Selbstreflexion und schärft die Sinne für die eigene Körpersprache. Die Aufgabe der Zuschauer ist es, das vorherrschende Gefühl zu erraten. Sie trainieren dabei ihren Blick für Mimik und Muskeltonus sowie das Repertoire von passenden Begriffen. An einem anderen Tag zeichnen die Teilnehmer innerhalb von nur einer Minute das innere Bild, mit dem sie angereist sind. Anschließend tauschen sie sich darüber aus, was sie aktuell empfinden und was sie brauchen, um sich wohlzufühlen. Oder ich nehme die Teilnehmer mit auf eine Reise durch ihren Körper. Dieser sogenannte Body-Scan bereitet ausgezeichnet auf das Training der Wahrnehmung körperlicher Resonanzen im Mediationsprozess vor.
Regelmäßig halte ich den Trainingsablauf durch eine Teilnehmerreflexion zu „Intervention und Wirkung” an. Was haben die Teilnehmer in der bisherigen Zeit gelernt und ausprobiert? Was hatte es für eine Wirkung? Bei dieser Übung entsteht Bewusstsein für die vielen Kleinigkeiten, die über
Erfolg und Misserfolg in Konfliktklärungsprozessen entscheiden. Wie haben die Trainer die Übung anmoderiert? Welche Materialien wurden im Rollenspiel verwendet? Mit welcher Hypothese ist das Mediationsteam in den Klärungsprozess eingestiegen? Welches Vokabular wurde verwendet? Wie wirkte dies alles beim Mediationsteam und bei den Klienten?
Wie sich fast jede GFK-Übung mit ein wenig Kreativität in eine Achtsamkeitsübung und mentales Training verwandeln lässt, möchte ich an einem weiteren Beispiel erklären. Der Umgang mit einem „Nein” gehört zu den herausforderndsten Situationen des Kommunikationsalltags. Eine solche Situation kann ich bewältigen, indem ich die Augen schließe und mich zunächst ganz darauf fokussiere, welche Gedanken mir gerade durch den Kopf schießen. Anschließend wende ich mich meinem Körper zu: Wo spüre ich Emotionen?
Im nächsten Schritt kann ich mich fragen, welche Bedürfnisse im Mangel bleiben, wenn ich das „Nein” akzeptiere. Wie fühlt sich das an, wenn diese Bedürfnisse unbefriedigt sind? Wie kann ich für mich selbst sorgen? Durch das saubere Trennen und die wertfreie Akzeptanz gegenüber unterschiedlichen Wahrnehmungen führt die Übung zu innerer Ruhe und zu einem tiefen Verständnis gegenüber dem eigentlichen Anliegen.
Teil zwei der Übung widmet sich der Betrachtung des „Neins”. Was hat mein Gegenüber genau gesagt? Was hat ihn möglicherweise zu dieser Aussage motiviert? Zu was sagt er „Ja”, wenn er „Nein” sagt? Um welche Bedürfnisse geht es ihm? Was für Emotionen zeigt er? Worauf könnte das hinweisen?
Abschließend kann ich die eigenen Bedürfnisse in der linken Hand und die Bedürfnisse der neinsagenden Partei in der rechten Hand visualisieren. Wenn ich die Hände sanft in Bewegung bringe, wäge ich die Bedürfnisse symbolisch ab. Häufig entstehen dabei Impulse für Lösungsideen, die den Bedürfnissen beider Parteien gerecht werden. Das regelmäßige mentale Training gegenseitigen Verstehens bringt höchstmögliche Flexibilität in das eigene Denken und Empfinden.
Die Art, wie ich Achtsamkeitsübungen mit GFK und Mediation verschmelze, habe ich nicht von langer Hand geplant. Hier hat zusammengefunden, was zusammengehört. Ursprünglich war ich auf der Suche nach Auflockerungsübungen für lange Trainingssequenzen und nach Handwerkszeug, um schneller ins Spüren zu kommen. Dass die Übung von Achtsamkeit die GFK- und Mediationstrainings derart intensiviert, ist das überraschende Ergebnis eines lustvollen experimentellen Prozesses.
Heute würde ich behaupten, dass GFK-Trainings und Mediationsausbildungen mit Elementen der Achtsamkeit zu erheblich besseren Ergebnissen führen als ohne. Der Weg der Achtsamkeit gibt den Teilnehmern das Gefühl, auch in schwierigen Situationen mit sich selbst verbunden zu bleiben. Gruppendynamisch führt das Training der Achtsamkeit dazu, dass sich Teilnehmer schneller mitteilen, wenn sie etwas von der Gruppe oder vom Trainerteam brauchen. Darüber hinaus behalten sich die Gruppenmitglieder mit ihren Eigenarten und Bedürfnissen besser gegenseitig im Blick. Im Endeffekt wird die Gruppe leistungsstärker und belastbarer, risikofreudiger und lebendiger.
Schlussendlich ist der Beruf des GFK-Trainers und des Mediators eine Frage der Haltung. Durch Achtsamkeit reflektieren wir uns selbst und durchbrechen dabei Zyklen der Angst und Gefühle des Ausgeliefertseins. In Kombination mit den vielfältigen Techniken professioneller Konfliktklärung und den Kommunikationsmöglichkeiten der Gewaltfreien Kommunikation entsteht ein tiefes Gefühl der Selbstwirksamkeit, das uns und anderen guttut. Die beschriebene Grundhaltung lässt sich mit vielen weiteren Fähigkeiten und Trainingssystemen ausdehnen oder mischen. Dabei bin ich nicht besorgt über die sogenannte „Reinheit der Lehre”. Für mich und meine Ausbildungspraxis im Bereich der Empathie ist die Inspiration durch das Achtsamkeitstraining eine enorme Bereicherung.
(c) Al Weckert, Mediator, Trainer für empathische Kommunikation, Coach und Buchautor. Letzte Veröffentlichungen: „Gewaltfreie Kommunikation für Dummies“ (Wiley VCH, 2014), “Tanz auf dem Vulkan” (Junfermann 2012)
Mein Newsletter informiert Sie über aktuelle Termine, kommende Workshops und Wissenswertes zu Empathie. Der Newsletter wird ca. 1 mal im Monat ausgesendet, ist kostenlos und kann jederzeit abgemeldet werden.