Empathie-Training
Organisationsentwicklung
Konfliktmanagement
Mimikresonanz für Mediatoren und Konfliktprofis
Veröffentlicht in Spektrum der Mediation 57/2015
Die vielleicht bekannteste Geschichte, um das Verfahren der Mediation zu erklären, handelt vom Streit zweier Mädchen um eine Orange. Gemeinsam bitten sie ihren Vater um eine Entscheidung. Der Vater schneidet die Orange in zwei gleiche Stücke. Damit sind beide Mädchen unzufrieden. Hätte der Vater nach den Bedürfnissen der Mädchen gefragt, wäre ihm eine Win-Win-Lösung anstatt einer Kompromissvariante eingefallen. Aber auch ohne Mediationswissen wäre er zu einem besseren Ergebnis gekommen, wenn er die mimischen Signale der Kinder beachtet hätte. Spätestens als er das Messer an die Orange ansetzte, hätte er Überraschung oder Angst in ihren Gesichtern bemerken können. In jedem Fall fehlten für eine gute Lösung die typischen Signale sich anbahnender Freude.
Durch das Training von Mimikresonanz kann jeder Mensch eine solche Wahrnehmungsqualität entwickeln, sogar für unterdrückte Gefühlsäußerungen, die sich nur für Sekundenbruchteile zeigen. Mimikresonanz führt zu einem tieferen Verständnis für die Gefühle unseres Gegenübers, für die Brisanz einzelner Themen und die Beziehung zwischen den Klientinnen. Die korrekte Deutung mimischer Signale bringt für jede Phase der Konfliktklärung einen Sofortgewinn.
Jeder Gesichtsausdruck kann wissenschaftlich beschrieben und kodiert werden. Die meisten Forscher stützen sich bei dieser Arbeit auf das Facial Action Coding System (FACS). Es wurde zwischen 1970 und 1978 in unzähligen anatomischen Studien und Selbstversuchen von Paul Ekman und Wallace V. Friesen entwickelt. Es zählt 44 Bewegungseinheiten (Action Units) der Gesichtsmuskeln auf, die sieben Basisemotionen in fünf Stärken beschreiben. Jede der Basisemotionen Ärger, Freude, Überraschung, Verachtung, Ekel, Angst und Trauer zeigt sich bei allen Menschen gleich. Es handelt sich um einen universellen Code, den man bei jedem Geschlecht, in jeder Altersklasse und auf allen Kontinenten antrifft. Wenn sich sämtliche zu einer Basisemotion gehörigen Action Units gemeinsam zeigen, wird das als prototypischer Ausdruck einer Emotion zeigen.
Urahn der Mimik-Forschung ist kein Geringerer als Charles Darwin. Er veröffentlichte 1877 ein Buch mit dem Titel »Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren «. Danach führte das Thema einen Dornröschenschlaf, bis es Mitte des 20. Jahrhunderts in USA zum ersten großen Boom der Emotionsforschung kam. Ernest Haggard und Kenneth Isaacs entdeckten 1966 das Vorhandensein von Mikroexpressionen (Bewegungen der Gesichtsmuskulatur, die sich kürzer als eine halbe Sekunde zeigen), als sie Therapiesitzungen in Superzeitlupe studierten. Durch den FACS-Code erhielt die Forschung 1978 ein weltweit anerkanntes Bezugssystem. Die Entdeckung der Spiegelneuronen durch Giacomo Rizzolatti führte 1992 zu einer zweiten großen Forschungswelle.
Populär wurde die Mimik-Forschung jedoch erst 2009 durch die Fernsehserie »Lie to me«, deren erste Staffel von Paul Ekman wissenschaftlich betreut wurde. In der Serie deckt ein Team von Psychologen Lügen auf, indem es Abweichungen zwischen verbalen Aussagen und den begleitenden mimischen Signalen entschlüsselt.
Erfreulicher Weise erschien 2013 in Deutschland eines der weltweit besten Bücher zum Thema: »Mimikresonanz: Gefühle sehen. Menschen verstehen«. Durch die Veröffentlichung fand Dirk Eilert auch unter Mediatorlnnen und GFK-Trainerlnnen große Beachtung.
Mimikresonanz-Training umfasst die korrekte Deutung von mimischen Bewegungen, von Körperhaltung und Gesten, sowie des Sprechstils. Ziel ist die Steigerung der eigenen Empathiefähigkeit, also ein Verständnis für Gefühle, Gedanken und Handlungsabsichten. Durch die Wahrnehmung und richtige Deutung mimischer Signale schalten wir dem Kommunikationsprozess einen neuen verbessert Mimikresonanz unsere Fähigkeit, angemessen zu reagieren.
Weil sich Top-Experte Paul Ekman auf die Zusammenarbeit mit amerikanischen Sicherheitsbehörden spezialisiert hat, war es lange Zeit schwierig wissenschaftlich exaktes Lernmaterial und seriöse Seminarangebote für Mimik-Erkennung zu finden. Diese Lücke wurde 2013 durch das Lernsystem von Dirk Eilert geschlossen. Das Mimikresonanz®-Training folgt in drei Lernschritten:
Trainiert werden die mimischen Bestandteile der Basisemotionen, das Erkennen von Mikroexpressionen (mimische Signale im Bereich von 40-500 Millisekunden), Teilexpressionen (z.B. wenn sich bei Trauer nur die Stirn in Falten legt, der Mund aber unbewegt bleibt), subtilen Expressionen (schwacher Ausdruck von mimischen Signalen), Mischexpressionen (sich wiedersprechende mimische Signale), Emblemen {Signale mit der Möglichkeit zur wörtlichen Übersetzung), Illustratoren (gestische Unterstreichung), Regulatoren {Signale, die das Gespräch steuern sollen) und Adaptoren (Beruhigungsgesten).
Die Wissensaneignung funktioniert über »Blended Learning«: Auf die Buchlektüre folgt eine Seminarteilnahme, anschließend vertiefen die Teilnehmerinnen ihr Können mit einer Trainingssoftware, die über 400 animierte Bilder enthält. Weil sich die Dauer der Mikroexpressionen beliebig verkürzen lässt, kann man mit Gesichtsausdrücken trainieren, die schnell wie ein Schatten über das Gesicht huschen. Es handelt sich dabei um die besonders wichtige Gruppe der kontrollierten oder unterdrückten Emotionen. Meistens enthalten sie eine wichtige Botschaft für den Klärungsprozess.
Unser Stammhirn ist auf direktem Weg mit unserer Gesichtsmuskulatur verbunden. Bedeutende Reaktionen des limbischen Systems spiegeln sich augenblicklich im Gesicht des Senders wieder. Dieses nicht zu unterdrückende System heißt neurowissenschaftlich »Facial Feedback«. Es wirkt auch in umgekehrter Richtung. Über gezielte Bewegungen der Gesichtsmuskulatur können wir die eigene Stimmung messbar beeinflussen. Seine überragende Bedeutung für die Kommunikation erhält dieses Funktionsprinzip dadurch, dass wir genetisch auf das Spiegeln unseres Gegenübers programmiert sind. Unbewusst ahmen wir rund um die Uhr unsere Umwelt nach, aktivieren damit die für Emotionen zuständigen Gehirnregionen, erzeugen dort ein Spiegelbild der Gefühle unserer Gesprächspartnerinnen und erzeugen auf diese Art und Weise Einfühlung und Verständnis. Wenn Sie sich im Kino umdrehen, sehen Sie die Emotionen der Hauptdarstellerinnen in den Gesichtern der Zuschauerinnen. Diese Fähigkeit der menschlichen Natur ist in Punkto Geschwindigkeit und Präzision kaum zu übertreffen.
Auch für die Mediation sind diese Fähigkeiten von herausragendem Nutzen. Ein Hauptvorteil besteht in der richtigen Deutung starker Gefühlsregungen. Starke Gefühle sind in Konflikten als Hinweis auf wichtige Bedürfnisse zu verstehen. Anders herum können unterdrückte Emotionen ein Indiz für die Existenz von Themen sein, die bisher verborgen geblieben sind und nach Klärung verlangen.
Darüber hinaus lässt sich jede Aussage eines Sprechers durch den Abgleich mit seinen mimischen Signalen auf Stimmigkeit und mögliche lnkongruenzen überprüfen: Wenn Streitpartei A lebhaft versichert, dass sie Verständnis für das Verhalten von Partei B hat und gleichzeitig subtile Zeichen von Verachtung zeigt, sollten beim Mediationsteam die Alarmglocken läuten. Hinweise auf die Beziehungsqualität liefern die mimischen Reaktionen auf Beiträge anderer. Zeigt A bei der Erwähnung einer anderen Person wiederholt (versteckten) Ärger, ist das Mediationsteam möglicherweise auf ein heißes Thema gestoßen.
In großen Gruppen und Teams ist es möglich, durch die frühzeitige Wahrnehmung starker Emotionen, Störungen zu erkennen und gruppendynamische Kettenreaktionen zu unterbrechen, bevor es zu einer Eskalation kommt. Mediationsteams entwickeln über diesen zusätzlichen Wahrnehmungskanal ein feines Gespür für Stimmungen und Unausgesprochenes wie z.B. Tabuthemen. Zu diesem zweck trainiert Mimikresonanz die gleichzeitige Wahrnehmung aller im raum verteilter Personen: den „peripheren Blick“
Phase 1: In dieser Phase zeigen die Streitparteien durch Körpersprache ihre Ausgangsstimmung. Auffällig sind hilfesuchende Blick, ein betont joviales Sprechtempo oder eine stark erhöhte Blinzelrate. Im Bild sehen Sie beim Mann subtile Anzeichen von Angst und bei der Frau Gesten der Selbstberuhigung (Adaptoren)
Phase 2: Oft zeigt sich bereits in der zweiten Phase der Mediation die ganze Bandbreite der Beziehungsdynamik. Mimische Reaktionen auf Aussagen der jeweils anderen Streitpartei lassen Rückschlüsse auf heiße Themen, Rollenkonflikte, Schleifen, Muster oder Verletzungen zu.
Phase 3: Bei der Themenklärung dürfen die Emotionen hochkochen. Durch Spiegeln und Übersetzen erzeugt das Mediationsteam gegenseitiges Verständnis. Bei positiven Reaktionen verankert das Mediationsteam die erreichten Erfolge. Anhand mimischer Reaktionen kann das Mediationsteam die innere Beteiligung abschätzen und intervenieren, wenn der Prozess über die Grenzen der Beteiligten geht.
Phase 4: Bei der Lösungssuche brauchen die Parteien Frische. Die Körpersprache verrät den Umfang der verbliebenen Ressourcen. Bahnt sich Ärger oder Frustration an, thematisiert das Mediationsteam die Störung. Mimische Signale verraten viel über die tatsächliche Kooperationsbereitschaft.
Phase 5: Vor der Abschlussvereinbarung überprüft das Mediationsteam die erreichte Zufriedenheit. Ist das Lächeln der Teilnehmerinnen echt oder gespielt? Drücken sie Freude und Erleichterung aus? Oder offenbart sich Unzufriedenheit in Form von Trauer oder Verachtung?
Das Mediationsteam muss sich bewusst sein, dass es durch das Training der Mimikresonanz Emotionen besser erkennen kann, dadurch aber noch kein gesichertes Wissen über deren Herkunft besitzt. Othello – eine Tragödienheld Shakespeares -verdächtigte seine Frau der Untreue. Ihre Angst deutete er als Geständnis. Nach ihrer Hinrichtung stellte sich jedoch heraus, dass die Angst nicht ihrer Entdeckung galt. Ihr fehlte einfach nur eine Idee, wie sie ihre (objektive) Unschuld beweisen konnte. Der Fehler des Othello bestand darin, die Hypothese nicht sauber mit der Wirklichkeit abzugleichen. Legt das Mediationsteam die nötige Achtsamkeit an den Tag, wird es seine Arbeit durch Mimikresonanz gezielt verbessern.
(c) Al Weckert
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