Dr. Doris Wolf: Wenn der Partner geht (Buchbesprechung)

20. Januar 2019

Lassen Sie sich von dem schlichten Cover nicht abschrecken: Das Buch „Wenn der Partner geht“ von Doris Wolf ist eine absolute Top-Empfehlung. Wie ein Notarzt im Einsatz vermeidet es jeden Schnickschnack und kommt sofort zur Sache. Wie spanne ich einen emotionalen Fallschirm auf, wenn jemand aus dem siebten Himmel der Liebe in die Hölle des Trennungsschmerzes fällt? Ja, Trennung (von einem geliebten Menschen) ist für viele Menschen eine der schwierigsten Erfahrungen im Leben. Man erlebt anstrengende und oft bedrohliche innere Zustände. Die gute Nachricht ist, dass der emotionale Zickzackkurs bei allen Menschen ähnlich verläuft. Man kann also darüber reden, man ist nicht allein. Genau das tut Doris Wolf. Sie benutzt eine mitfühlende Sprache und bleibt doch sachlich. Sie vergleicht den Prozess, durch den sie den Leser führt, mit der Besteigung eines hohen Gipfels. Der Weg ist anstrengend und am Ende befreiend. Als ich diesen Weg einmal gehen musste, durfte ich feststellen: Doris Wolf hat mir “den Arsch gerettet”.

Die Grundhaltung, die Doris Wolf in ihrem Buch „Wenn der Partner geht“ vermittelt, kann man in Kurzform als “radikale Akzeptanz des Vorgefallenen” bezeichnen. Auf keiner einzigen Seite wird der Sinn der Trennung hinterfragt. Es wird kein Wort über Strategien der Zurückgewinnung des Partners verloren. Sie können das Buch genauso anwenden, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist. Etwas ist vorbei! Der Blick geht nicht mehr zurück, sondern er richtet sich auf die Gegenwart und auf die Zukunft.

Die vier Phasen der Trennung

Jeder Mensch, der einen geliebten Menschen verliert, geht (nach Doris Wolf) durch vier Phasen:

1. die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens.
2. die Phase der aufbrechenden Gefühle
3. die Phase der Neuorientierung
4. die Phase des neuen Lebenskonzeptes

Die schlechte Nachricht: Der Weg bist zur Phase 3 dauert durchschnittlich ein Jahr und die vierte Entwicklungsphase erreichen Menschen häufig erst nach mehreren Jahren. Die gute Nachricht: Man schaut bei der Lektüre tief in den Spiegel, man spürt seine Sehnsüchte und erkennt die verschiedenen Sackgassen in die man sich verirrt hat. Wer dabei ehrlich zu sich selbst ist, kann sich vielleicht aus alten Abhängigkeit lösen und als Mensch erneuern.

Noch etwas, was ich vor der Lektüre dieses Buches nicht wusste: Der Partner, dessen scheinbare Leichtigkeit man im Leid nicht begreift, hat den Schmerz der vier Phasen der Trennung auch erlebt. Allerdings hat er einen zeitlichen Vorsprung. Oft hat man nicht mitbekommen, wann und wie der Partner gelitten hat. Diese Erkenntnis hilft einem ein kleines Stück aus der Opferecke heraus.

Aufbau des Buches „Wenn der Partner geht“

Das Buch erklärt zunächst, wie eine Trennung typischerweise abläuft und durch welche vier Phasen die Betroffenen gehen. Dann widmet es sich jeder einzelnen Phase in aller Ausführlichkeit. Wie eine Bedienungsanleitung empfiehlt es Strategien, um mit der jeweiligen Phase umzugehen. Doris Wolf gibt dem Leser praktische Anweisungen im Umgang mit destruktiven Impulsen (nein: nicht nochmal Kontakt aufnehmen …). Oder sie bietet kleine Texte zur Selbstreflexion an, die man in speziellen Situationen (ja: ich will wieder Kontakt aufnehmen …) immer wieder lesen und als Rettungsanker benutzen kann.

Es funktioniert. Das Leid geht nicht weg, aber es wird in eine lebensdienliche Richtung gelenkt. Man arbeitet nicht mehr gegen sich selbst oder den Expartner, sondern man lässt sich auf einen inneren Reifeprozess ein. Es geht um das Beenden von Illusionen, um das Akzeptieren der Entscheidungen anderer (also des Lebendigen) und um ganz viel Verständnis für die eigenen Sehnsüchte und Bedürfnisse (jenseits der “einen einzigen Partnerschaft”). Es geht darum, die Abhängigkeit von außen zu reduzieren und die eigene Handlungsfähigkeit neu zu erfahren. Es geht um echte Trauer und Loslassen. Ganz praktisch und (be-)greifbar. Ein super Buch!

Bewertung des Buches „Wenn der Partner geht“

Nutzen pro Seite: 5/5
Unterhaltungswert: 2/5
Bringer-Ideen: 5/5
Schreibstil: 4/5
Empfehlung: Unbedingt lesen!