Bewerten oder beobachten? Formen von Bewertung

29. April 2014

Der indische Philosoph Krishnamurti sagte: “Beobachten, ohne zu bewerten, ist die höchste Form menschlicher Intelligenz.“ Da viele Menschen mit dem Modell des Bewerten oder Schubladendenkens groß werden, ist es so schwer, als Erwachsener die eigene Kommunikation hin zu wertneutraler Beobachtungen zu lenken. Im Gegensatz dazu fällt es um so leichter, die Bewertungen anderer in Bezug auf uns und unser Verhalten negativ oder einengend wahrzunehmen. Die Folge: ein unangenehmes Gefühl verbunden mit dem Wunsch, sich zu verteidigen. Um ein Gespräch von Anfang an für alle Beteiligten offen zu halten oder einen Konflikt lösen zu können, bedarf es hier entweder der Fähigkeit Beurteilungen in wertneutrale Beobachtungen umzuwandeln oder unser Bewerten von unseren Beobachtungen sauber zu trennen. Im Folgenden habe ich Formen von Bewertungen zusammen getragen. Diese zu erkennen ist ein erster Schritt in Richtung Gewaltfreie Kommunikation.

Bewerten durch das Verb „sein“ und durch Unklarheiten

Die Unterscheidung zwischen dem Bewerten und dem Beobachten ist die erste Schlüsselunterscheidung der Gewaltfreien Kommunikation (GFK). Beispiel: „Du bist noch zu klein.“ Hier erfolgt eine Bewertung ohne Beobachtung. Es wird lediglich die eigene Meinung des Sprechers wiedergegeben.

Bewerten durch Vergleiche

Beispiel: „Ich arbeite viel effizienter als das restliche Team.“ Der Vergleich ist abwertend und ruft beim Zuhörer eine Abwehr- und Verteidigungsreaktion hervor.

Bewerten durch Verben und Adjektive

Beispiel: „Er vernachlässigt seine Pflichten“ und „Sie ist unsere beste Mitarbeiterin.“ Obwohl hier positive und negative Merkmale beschrieben werden, handelt es sich doch in beiden Fällen um eine Kommunikation „von oben herab“. Es wird beide Male eine Aussage über eine andere Person gemacht wodurch eine emotionale Abhängigkeit entsteht. In der Gewaltfreien Kommunikation wird auf Lob und Tadel verzichtet und stattdessen ein Gespräch “auf Augenhöhe” gesucht.

Bewerten durch Vermischung von Annahmen und Beobachtungen

Beispiel: „Das Bildungssystem geht den Bach runter. Immer mehr Schüler kommen auf einen Lehrer und da soll ich mir um mein Kind keine Sorgen machen?“ Die Bewertung (das Bildungssystem betreffend) mischt sich mit der Beobachtung des Schüler-Lehrer Verhältnisses und schließlich der Sorge um das eigene Kind.

Bewerten durch Verallgemeinerungen

Beispiel: „Frauen/ Männer sind immer so…“, „immer“, „nie“, „ständig“ etc. Auch hier ist Gegenwehr vorprogrammiert, denn niemand wird gern auf eine einzige eventuell noch negative Verhaltensweise reduziert.
Verallgemeinerungen werden massiv bei Mobbing, bei politischen Kampagnen oder auch im Vorfeld von Kriegszügen eingesetzt.

Bewerten dadurch, dass die eigene Meinung die einzig gültige ist

Beispiel: „Die Weltgemeinschaft bekommt den Waffenhandel nicht in den Griff.“ Sicherlich wird hier eine populäre These vertreten. Aber durch die Allgemeingültigkeit klingt sie wie eine gesicherte Analyse oder eine endgültige Diagnose, obwohl es nur eine vage Aussage zu einer sehr komplexen Thematik ist. Besser wäre: “Ich habe gelesen, dass die Weltgemeinschaft Schwierigkeiten hat, den Waffenhandel in den Griff zu kriegen” oder “Ich befürchte, dass die Bürgerkriege in der Welt durch die aktuelle Praxis des internationalen Waffenhandels weiter angeheizt werden.”

In der Gewaltfreien Kommunikation wird das Bewerten oder Interpretieren als solches erkennbar gemacht und nicht mit wertneutralen Beobachtungen vermischt. Meinungsoffene und damit wertschätzende Aussagen sind dialog- und verständnisfördernd.

Hier können die Unterscheidung zwischen Bewerten und Beobachten trainieren:

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Ich freue mich über Ihr Interesse!

(c) Al Weckert