Empathie-Training
Organisationsentwicklung
Konfliktmanagement
“Weckert liest”: Empathische, achtsame und gewaltfreie Kommunikation in Unternehmen.
von: Al Weckert
in: Kommunikation & Seminar, Dezember 2011, S. 46-47
Immer häufiger fragen mich Führungskräfte und Fortbildungsbeauftragte aus Personalabteilungen, ob sich eine wertschätzende Gesprächskultur durch Training nachhaltig verankern lässt. Einige Unternehmen haben für sich herausgefunden, dass Verletzungen durch Kommunikation und eskalierende Konflikte sich messbar auf Krankenstände und Fluktuation auswirken. Andere möchten eine Gesprächskultur fördern, die besser zu flachen Hierarchien und vernetzten Teams passt als das alte System von Vorgaben, Kontrolle, Belohnung und Strafe. Wieder andere beschreiben eine höhere Qualität der Arbeitsergebnisse, wenn in Teams oder im Kundenkontakt achtsam und einfühlsam agiert wird. Es geht ihnen um verbesserte Therapieergebnisse (im Gesundheitswesen), um Empfehlungen von Kunde zu Kunde oder um ein konsumentenorientiertes Beschwerdemanagement, das zu vielen Folgeaufträgen führt.
Meine Auftraggeber verwenden unterschiedliche Begriffe für die „andere” Form von Kommunikation, die ihnen vorschwebt. Manche nennen es „achtsame Gesprächsführung”, andere „wertschätzende Kommunikation”. In Schulen heißt das Konzept „Gewaltfreie Kommunikation”, das ist der Eigenname der Methode nach Marshall B. Rosenberg, im Gesundheitswesen „empathische Kommunikation”. Ich kann gut damit leben, wenn verschiedene Organisationskulturen unterschiedliche Namen gebrauchen. Wichtig scheint mir, dass die Beteiligten optimal an ,vorhandenes Wissen anknüpfen können. Wenn sich hinter dem Etikett der Wunsch nach einer bedürfnisorientierten Sprache verbirgt, kommen wir ins Gespräch.
Empathie, Achtsamkeit und Wertschätzung als Leitbegriffe der Unternehmenskultur sind ein neuer Trend. Bis vor kurzem gab es zu diesem Thema nur wenige wissenschaftliche Arbeiten, Wirtschaftsstudien oder Trainingsbücher. Dieser Trend änderte sich durch den Boom von Mediation, Gewaltfreier Kommunikation und durch das wachsende Interesse an den Erkenntnissen der Gehirnforschung und Neurobiologie. Die Bücher und Filme, die ich Ihnen hier vorstelle, stehen beispielhaft für eine spannende und ermutigende Entwicklung im Medienmarkt.
Tobias J. Schmid untersucht in seiner Studie „Empathie in der Personalführung” (Steinbeis-Edition), wie empathisches Führungsverhalten beschrieben werden kann, welche „Empathie- Typen” er unter Führungskräften ausmacht und welcher praktische Nutzen sich für Unternehmen aus empathischem Führungsverhalten ergibt. Er räumt als einer der ersten (mir bekannten) Ökonomen dem Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) eine wirtschaftswissenschaftliche Bedeutung ein und verknüpft den von Rosenberg verwendeten Bedürfnisbegriff mit klassischen Schlüsselbegriffen der Organisations- und Personalpsychologie wie „Motivation” und „Arbeitszufriedenheit”.
Schmid arbeitet im Marketing der Daimler AG, sein Buch ist Wirtschaftsfachliteratur. Hier gibt es Argumente „satt und frei Haus”, wenn es darum geht, den eigenen Vorstand von einem Empathie-Trainingskonzept zu überzeugen. Zwei Fragen lässt das Buch jedoch weitgehend offen: Wie empathische Kommunikation konkret geschult werden kann und welche Formen des Umgangs mit bereits eskalierten Konflikten zu einer „Kultur der Achtsamkeit” passen.
Antworten auf letztere Frage liefert Stephan Proksch in seinem Buch „Konfliktmanagement im Unternehmen” (Springer). Proksch ist der König der knackigen Definitionen. Seine Sprache ist so klar, dass sich komplizierte Sachverhalte in wenigen Abschnitten erschließen. Mit weniger als 130 Seiten ist das Buch ideal für vielbeschäftige Manager. Und trotzdem stellt es umfassend dar, was Konflikte für Unternehmen bedeuten, auf welche Art sie gelöst werden können und warum Mediation die bedeutendste neue Form der Konfliktlösung ist.
Ein weiterer Mehrwert dieses Buches ist die Abgrenzung unterschiedlicher Methoden des Konfliktmanagements (wie Moderation, Supervision, Coaching oder Teamentwicklung) von Mediation. Proksch gerät niemals ins Schwärmen, sondern nennt Vor- und Nachteile aller Methoden, inklusive trennender Formen der Konflikthandhabung wie Kündigung oder Veränderung der Zielvorgaben. Auch zum Thema Machtanwendung kennt er keine Berührungsängste: „Macht ist das, was im physikalischen Diskurs Energie ist: Gestaltungs- und Bewegungsmöglichkeit. Ordnung existiert nicht einfach, sie muss fortwährend (re-)produziert werden, und dazu braucht man Macht.( … ) Durch den Einsatz von Macht werden Konflikte jedoch selten gelöst, sondern meist eher verschoben und verdrängt.”
Zum Thema „Macht” liefert auch Marshall Rosenberg auf seiner DVD „Gewaltfreie Kommunikation am Arbeitsplatz und in Organisationen” spannende Erläuterungen. Die DVD ist für GFK-Einsteiger eher ungeeignet, weil sie keine systematische Einführung in das Thema anbietet. Für fortgeschrittene Anwender ist sie dafür umso inspirierender. Rosenberg liefert fantastische Ausführungen zum Thema „Belohnung und Strafe”, zur kooperierenden Ausübung von Macht („Macht mit … “) und zur dominanten Ausübung von Macht („Macht über … “).
Rosenberg bittet viele Teilnehmer mit eigenen Fallbeispielen auf die Bühne, aus denen er unglaublich viel didaktischen Mehrwert gewinnt. Auch der Umgang mit Störungen fasziniert mich. Im Verlauf der ersten DVD kommt beispielsweise ein Teilnehmer ausführlich ins Philosophieren. Als das Publikum zunehmend unwirsch reagiert, greift Rosenberg den Wortbeitrag auf, um die Bedeutung von Bitten für die Gesprächskultur zu verdeutlichen. Er zeigt, auf welche Art der Teilnehmer mit den übrigen Anwesenden in eine lebendige Verbindung kommen könnte. Diese Sequenz erschließt mir die Wirkung von Bitten erheblich klarer, als die entsprechenden Passagen in seinen Büchern.
Ganz auf Einsteiger zugeschnitten ist hingegen das Buch „Wertschätzende Kommunikation im Business” von Beate Brüggemeier (Junfermann). Dieses Buch hält, was die Rosenberg- DVD im Titel verspricht. Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation wird systematisch auf den Berufsalltag übertragen. Jedes Kapitel enthält eine Zusammenfassung in Form eines Diagramms. Beim Lesen kommt man sich vor wie in einer Fortbildung, wo zwischen den Erläuterungen von Zeit zu Zeit der Beamer angeworfen wird.
Nicht gefallen haben mir die Beispiele aus dem Familienleben. GFK darf meiner Ansicht nach gerne einmal richtig businessorientiert sein. Beeindruckt hat mich wiederum, mit welcher Akkuratesse die Autorin wichtige Einzelthemen wie „Empathie im Kundenservice”, „Empathie im Verkaufsgespräch”, „Nein sagen”, „Ärger kostet Zeit” oder „wertschätzend delegieren” aus Sicht der GFK erläutert.
Ist der Mensch überhaupt für Gewaltfreie Kommunikation, Achtsamkeit, Wertschätzung und Empathie geschaffen? Sind unsere Spitzenleistungen nicht Ergebnis von Egoismus und Durchsetzungsfähigkeit? Joachim Bauer liefert in seinem Buch „Prinzip Menschlichkeit” (Heyne) die Antwort auf die Frage, „warum wir von Natur aus kooperieren”. Die neurobiologische Forschung zeigt: Verbindung und Entwicklung machen Menschen glücklich. Fehlende Verbindung, Isolierung, mangelnde Autonomie und fehlende Entwicklungschancen machen Menschen krank und aggressiv.
Unsere internen Motivationssysteme reagieren positiv auf menschliche Zuwendung, Kontakt wirkt wie eine Droge, der Körper speichert Erfahrungen. Joachim Bauer zeigt, dass die Befunde von Rosenberg, Proksch, Brüggemeier und Schmid auf biologischen Tatsachen basieren. Es gibt eine empathische Form der Kommunikation, die gelingende Beziehungen möglich macht. Sie lässt sich bis ins hohe Alter trainieren („use it or lose it”). Die Personalführung steht vor wundervollen Herausforderungen.
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