Empathie-Training
Organisationsentwicklung
Konfliktmanagement
In einer vierteiligen Serie beleuchtet der Trainer und Autor Al Weckert, wie „Empathic Leadership” gelingen kann. Zum Auftakt: Es geht um die Haltung
Empathic Leadership Teil 1 in Empathische Zeit 4/2015
Als Topaufgabe der Personalentwicklung benennt der aktuelle „Haufe HR-Report” den Ausbau der Führungskompetenz. Dafür gibt es vier Hauptgründe. Erstens arbeiten Unternehmen und Organisationen heute unter den Bedingungen permanenten Wandels. Unternehmen, die sich früher als Paläste präsentierten, organisieren sich heute in Form mobiler Zeltstädte. Führungskräfte müssen sich in komplexen Netzwerken zurechtfinden und bewähren. Zweitens haben sich die Erwartungen des Umfelds gedreht. Kunden sind immer besser informiert und erwarten umfassenden Service. und Aber auch die Mitarbeiter melden selbstbewusst ihre Bedürfnisse an. Von Führungskräften wird erwartet, dass sie als Leuchttürme eine Vorbildfunktion ausfüllen und dass die ihre jeweiligen Ansprechpartner beteiligen und motivieren. Drittens sind Führungskräfte zwar fachlich top geschult, in der Praxis managen sie aber überwiegend die immer weiter steigende Komplexität des Alltags. 40-60 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit verbringen sie mit Kommunikation. Einen wesentlichen Teil dieser Zeit verwenden sie auf Konflikte oder Konfliktfolgen. Ausbildung und Arbeitsrealität klaffen weit auseinander. Viertens müssen die zunehmenden Erwartungen auch körperlich und mental bewältigt werden. Selbstfürsorge hat sich im Interesse aller zu einem „Must-have” entwickelt. Als roter Faden zieht sich durch sämtliche genannten Trends: Um für Gegenwart und Zukunft gut aufgestellt zu sein, brauchen Führungskräfte mehr Sozialkompetenz als bisher vorhanden. Denn nichts wirkt sich positiver auf das Gelingen zwischenmenschlicher Prozesse aus als die Fähigkeit zur Empathie.
Führungskräfte werden daran gemessen, wie gut oder schlecht sie die Erwartungen des Arbeitgebers und der Geldgeber, aber auch von Mitarbeitern, Kunden und anderen Stakeholdern (wie zum Beispiel der Öffentlichkeit) befriedigen. Ihre Tätigkeit umfasst Planung, Organisation, Führung und Kontrolle. Wie alle gesellschaftlichen Bereiche hat sich auch das Management weiterentwickelt. Die Zeitschrift „Harvard Business Manager” unterscheidet zwischen drei Management-Zeitaltern. Anfangs lag der Fokus allein auf Wachstum. Unternehmen wurden wie Maschinen geführt. In der „Exekutions-Ära” war Stabilität der Normalzustand, Veränderung die Ausnahme. Nach 1945 verlagerte sich der Fokus auf immer hochwertigere Service- Leistungen. Die „ Fachkompetenz- Ära” förderte die Aufwertung der Wissensarbeiter. Kommando und Kontrolle wurden durch Motivation und Engagement ersetzt. Das 21. Jahrhundert bringt eine neue radikale Veränderung der Arbeitsorganisation und einen weiteren Wertewandel mit sich. Immer mehr Menschen erwarten von ihrer Arbeit sinnvolle Erfahrungen. In der „Ära der Empathie” gilt es herauszufinden, wie Management funktionieren kann, wenn Arbeit eine wachsende emotionale Bedeutung hat und Wertschöpfung mehr und mehr in Rahmen flexibler und von Unterschiedlichkeit geprägter Netzwerke stattfindet.
Immer bedeutungsvoller wird die Fähigkeit zu einer schnellen Auffassungsgabe. Führungskräfte, deren Teams und Aufgabenfelder von Veränderungen betroffen sind, müssen qualitativ hochwertig zuhören können, um die Bedürfnisse der Beteiligten und Betroffenen rasch und präzise zu erfassen. Auf Basis solcher Informationen können (gemeinsam) situativ passende Lösungen für Organisation, Kunden und Mitarbeiter erarbeitet werden. Finden entsprechende Gespräche bereits im Vorfeld statt, kann ein Großteil möglicher Konfliktkosten vermieden werden. Gleichzeitig fördert wertschätzender Dialog die Arbeitszufriedenheit. Obwohl im Zuge der Demokratisierung von Arbeit Netzwerke mit flachen Hierarchien entstehen, bleibt Führung ein entscheidender Faktor, wenn Führungskräfte Ihre Aufgabe stärker in der Förderung von Selbstorganisation, Austausch und Beteiligung sehen. Ihr Vorbildverhalten führt zu Loyalität, gezielt gesetzte Herausforderungen motivieren zu konstanter Leistungsbereitschaft und Weiterentwicklung. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, gehört die Umsetzung einer offenen und achtsamen Feedbackkultur zu den Kernaufgaben zukünftigen Führungskräfteverhaltens.
Der Haufe-Report empfiehlt, dass „alle relevanten Akteure an einen Tisch sollten, um auf gleicher Augenhöhe über neue Führungsgrundsätze zu diskutieren”. Vom Direktorium eines Großkrankenhauses wurde mir in diesem Sinne erlaubt, Führungskräfte aller Geschäftsbereiche in qualitativen Interviews zu befragen. Die Befragten wünschen sich
Obenstehende Interview-Ergebnisse haben einerseits mit der Empathiefähigkeit des Einzelnen und andererseits den Werten bzw. der Kommunikationskultur der Gruppe zu tun. Als „ Empathie” wird die Fähigkeit bezeichnet, die Emotionen, Gedanken und Bedürfnisse eines Menschen zu erfassen und die eigenen Reaktionen darauf wahrzunehmen. Wir nehmen am Innenleben unseres Gegenübers teil, wechseln die Perspektive, schlüpfen in die Mokassins des Gesprächspartners und entwickeln eine „Theory of Mind”. Dabei helfen uns affektive Erlebnisse (wir fühlen, was der andere fühlt) und ergänzende kognitive Zwischenschritte (wir erkennen, was der andere fühlt). Empathie ist ein komplexes Phänomen, dass sich in mehreren unterschiedlichen Gehirnregionen abspielt und von Mensch zu Mensch verschieden entwickelt ist.
Daniel Golemans Konzept der „emotionalen Intelligenz” und die Entdeckung der Spiegelneurone durch den italienischen Neurowissenschaftler Giacomo Rizzolatti haben einen Boom der Empathie-Forschung ausgelöst. Aber lässt sich Empathiefähigkeit überhaupt erfolgreich trainieren? Jeder von uns kennt in seinem beruflichen Umfeld mindestens einen Ego-Shooter, bei dem jede Liebesmüh vergeblich scheint. Diese Befürchtung ist jedoch wissenschaftlich gesehen unbegründet. In jedem Menschen ist die Fähigkeit zu sozialer Resonanz und gelingenden Beziehungen angelegt. Der Freiburger Neurowissenschaftler Joachim Bauer bezeichnet Empathie als eine „Use-or-loose-it”Fähigkeit. So lange das Frontalhirn intakt ist und keine schweren seelischen Erkrankungen (wie eine Psychose) vorliegen, können auch Ego-Shooter ihre Empathiefähigkeit zurückgewinnen, wenn sie sich auf ein Training einlassen.
Die erfolgreiche Veränderung der inneren Haltung von Unternehmensangehörigen ist allerdings weder gratis noch „overnight” zu haben. Die Erfahrung zeigt, dass entsprechende Personalentwicklungskonzepte nur im Einklang mit einem werteorientierten Unternehmensleitbild, in Abstimmung mit den Betroffenen und unter Einsatz erheblicher Ressourcen greifen. Zwar kann man die wichtigsten Elemente empathischer Kommunikation innerhalb von drei Workshop-Tagen vermitteln. Damit diese Elemente von den Teilnehmenden aber auch unter Druck und ohne Hilfe von außen selbständig abgerufen werden können, sind angemessene Investitionen in eine Führungskräfte- Ausbildung nötig.
Es muss sich also nicht nur der Einzelne, sondern auch die Unternehmensführung bewusst für eine bedürfnisorientierte Kommunikationskultur entscheiden. Vorbehalte dagegen ziehen sich durch alle Hierarchieebenen. Mehr als die Hälfte aller Führungskräfte fürchten Konflikte, weil sie sich nicht vorbereitet fühlen. Häufig gibt es weder ein internes Konfliktmanagement- System, noch klare Unternehmensspielregeln im Umgang mit Konflikten. Das ist umso erstaunlicher, als die KMPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in einer Befragung von 4.000 Industrieunternehmen ermittelte, dass Konflikte durch Mitarbeiterfluktuation, Krankheit, kontraproduktives Verhalten, Kundenfluktuation, Mängel in der Projektarbeit, entgangene Aufträge, Über- und Unterregulierung, verbesserungsbedürftige Anreizsysteme und arbeitsrechtliche Sanktionen hohe zählbare Kosten verursachen. „Es ist zu vermuten, dass die Unternehmen, welche die Potentiale der Konfliktkosten erkennen und mutig genug sind, diese durch eine Konfliktvermögensanalyse freizusetzen, als First Mover vom Markt mit Wettbewerbsvorteilen belohnt werden.” Umgekehrt könnte die Hypothese auch so lauten: Wer nicht schon bald ausreichend in die Sozialkompetenz seiner Führungskräfte investiert, gefährdet das gesamte Geschäftsmodell.
Eine adäquate Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft liefern Trainingssysteme, die Grundlagen der Empathiefähigkeit („Haltung”) mit konkreten Tools („Handwerkszeug”) für den beruflichen Führungsalltag kombinieren. Führungskräfte können in einem solchen Training an Einfühlsamkeit, Sicherheit und Authentizität gewinnen. Ihr Auftritt gewinnt an Überzeugungskraft, wenn die Wertschätzung für ihre Mitarbeiter, Projektpartner und Kunden von innen herauskommt und sie über eine bedürfnisorientierte, klare Sprache verfügen. Sie benötigen ein breites Methodenrepertoire für die Klärung von lnteressensgegensätzen und Konflikten, für das zusammenführen und Zusammenhalten heterogener, professionell und kulturell gemischter Teams, für das gesamte Repertoire an Feedbackgesprächen und die Moderation von Beteiligungsverfahren, die unterschiedlichste Stakeholder-Gruppen mit einbeziehen und zu tragfähigen Entscheidungen führen.
Gelingt der Lerntransfer, kann Empathie-Training als Bestandteil der Personalentwicklung für Unternehmen und Organisationen großen Gewinn abwerfen.
Wie ein solches Führungskräfte-Training aussehen kann, welche Elemente es nutzt und wo es bereits erfolgreich eingesetzt wurde, erfahren Sie in den nächsten Teilen dieser Artikelserie:
Teil 2: Führung als Mix aus Haltung und Handwerkszeug – ein Blick auf Trainingsziele und Tools
Teil 3: Empathische Kommunikation im Führungsalltag – wie der Transfer gelingen kann
Teil 4: Case Studie – ein Trainingskonzept für 50 Führungskräfte und 600 Mitarbeiter
Mein Newsletter informiert Sie über aktuelle Termine, kommende Workshops und Wissenswertes zu Empathie. Der Newsletter wird ca. 1 mal im Monat ausgesendet, ist kostenlos und kann jederzeit abgemeldet werden.