Empathie-Training
Organisationsentwicklung
Konfliktmanagement
Im zweiten Teil seiner Serie zeigt Erfolgsautor Al Weckert auf, dass Fachkenntnisse und Höflichkeit nicht ausreichen, um sich als Führungskraft zu bewähren
Empathic Leadership Teil 2 in Empathische Zeit 1/2016
Wenn die Universität einem frischgebackenen Volkswirt, Arzt oder Juristen das Diplom überreicht, kann dieser auf rund 16.000 Stunden Schulunterricht und 6.000 Stunden Vorlesungen und Tutorium zurückblicken*. Er hat Studien angefertigt, schriftliche Prüfungen bestanden und mündliche Examen bewältigt. Top-ausgebildet bewirbt er sich auf eine Führungsposition. Doch schnell stellt er fest, dass er auf die Wirklichkeit nur unzureichend vorbereitet ist. Er spürt bereits im ersten Meeting, dass neben Fachkenntnissen noch andere Qualitäten gefragt sind. Seine Ideen müssen mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern verhandelt werden – jeden Tag aufs Neue, jede Minute anders.
Um tragfeste soziale Beziehungen aufzubauen und das eigene Team hinter sich zu bringen, braucht er zusätzliches Knowhow in Form von wirksamer Kommunikationstechnik. Er muss Zuhören lernen und immer wieder Lösungen für Konflikte und veränderte Anforderungen finden. Doch selbst das reicht nicht. Erst wenn sich seine Kommunikation von einer Technik in eine Haltung verwandelt hat, setzt der wirklichen Qualitätssprung ein. Erst in diesem Augenblick wirkt er als Führungskraft glaubwürdig. Die Menschen in seiner Umwelt fassen Vertrauen, dem Vertrauen folgt Wirksamkeit. Er entwickelt die innere Stabilität, um den immer stürmischer werdenden Arbeitsalltag erfolgreich zu bewältigen.
Die simple Frage: „Wie geht es ihnen?” veranschaulicht den Unterschied zwischen Technik und Haltung. Interessiert es Sie wirklich, wie es Ihrem gegenüber geht? Falls ja: Was werden Sie tun, wenn Sie etwas erfahren, was eine Reaktion erfordert? Etwas, das Sie verärgert, enttäuscht oder Sorgen auslöst? Ihr Gesprächspartner merkt an Ihrer Reaktion, ob Sie mit seiner Antwort umgehen können. Jetzt entscheidet sich, ob er Ihnen auch beim nächsten Mal erzählt, wie es ihm geht oder ob er zukünftig die Hälfte weglässt bzw. schönredet. Auf Meetings übertragen bedeutet das: ein Mitarbeiter und Kollege wird sich nur dann offen zu einer kritischen Projektentwicklung oder einem gescheiterten Prozessablauf äußern, wenn die Führungskraft in der Lage ist, seine Anliegen wertfrei anzuhören, angemessen zu reagieren und eigene Emotionen dabei professionell zu regulieren. Bei Haltung geht es also um mehr als um Höflichkeit und einen gut vorbereiteten Gesprächsleitfaden. In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts identifizierte der US-amerikanische Psychologe Carl Rogers die Elemente „Echtheit”, „Empathie” und „Wertschätzung” als wirksamste Bestandteile der Gesprächsführung. Nur aufrichtiges Interesse und authentisches Auftreten schaffen Verbindung und Bereitschaft zu Veränderung. Weil Kritik jedoch häufig in Form einer Schuldzuweisung oder Drohung geäußert wird, geraten Führungskräfte in Meetings und Verhandlungen schnell in eine Überforderungssituation. Wertschätzende Reaktionen auf schwierige Gesprächssituationen sind auch ein halbes Jahrhundert nach Rogers weder eine Selbstverständlichkeit noch die Normalität.
Der Weg zu einer wertschätzenden Grundhaltung führt über Selbsterfahrung, Reflexion und Training. Wenn Führungskräfte ihre Erlebnisse unter professioneller Begleitung aufarbeiten, wird ihr Handeln mehr und mehr zu einem bewussten Prozess. Das Erleben von Schwierigkeiten dient ihnen als Lernerfahrung und Sprungbrett für die Persönlichkeitsentwicklung. Die wichtigste Grundübung für einen souveränen Kommunikationsstil ist der Perspektivwechsel zwischen den Bedürfnissen der Beteiligten. Die Trainingsteilnehmer versuchen zu verstehen, wie sich ihr Gegenüber fühlt und was er braucht. Mit der immer schneller abrufbaren Bereitschaft zur Perspektivübernahme („Theory of Mind”) wächst die individuelle Empathiefähigkeit. Sie wird als flexibles Reaktionsmuster im Unterbewusstsein verankert. Damit ist das Fundament für eine wertschätzende Haltung gelegt. Die Teilnehmer sind nun souverän genug, abweichende Standpunkte gelten zu lassen, ohne den Respekt zu verlieren.
Unter allen Trainingsmethoden für eine wertschätzende und klare Gesprächsführung nimmt die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) eine Sonderstellung ein. Nie zuvor hat ein Kommunikationsmodell vergleichbar exakt und für jedermann verständlich das Wesen zwischenmenschlicher Kommunikation beschrieben. Niemals zuvor wurde ein so komplexes Trainingsprogramm derart einfach erklärt. Im Kern geht es um drei Trainingsziele:
Die Teilnehmer lernen in vier Schritten, wie man schwierige Gespräche vorbereitet und unangenehme Themen anspricht. Sie trainieren das Aktive Zuhören und das Benennen der Gefühle und Bedürfnisse Ihres Gegenübers (inklusive des dazugehörigen Vokabulars). Die Teilnehmer werden befähigt, ihre eigenen Anliegen klar und offen auszusprechen (insbesondere konkrete Bitten), aber auch Dank und Wertschätzung zu äußern, wo diese angemessen sind. Mit etwas Übung gelingt es ihnen immer besser, starke eigene Gefühle zu regulieren und im Gespräch flexibel zwischen Selbstempathie und Empathie für andere hin und her zu wechseln.
Dass GFK-Trainings zu den favorisierten Fortbildungsangeboten in Personalabteilungen zählen, hat einen einfachen Grund. Im Gegensatz zu anderen Methoden, ist GFK kein exklusives „Expertenwissen”. Man braucht keine teuren Trainingstools, kann selbständig weiterlernen und trifft regelmäßig auf Gleichgesinnte. Den Haken an der Sache hat GFK-Erfinder Marshall Rosenberg selbst auf den Punkt gebracht: lt’s simple, but not easy. Auch wenn die Methode leicht nachvollziehbar ist, ändern Menschen nur allmählich ihre Verhaltensweisen. Das hat GFK allerdings mit allen anderen wirksamen Trainingsprogrammen gemeinsam. Konkurrenzmethoden, die Persönlichkeitsentwicklung „auf Knopfdruck” versprechen, konnten dafür niemals belastbare Nachweise erbringen.
Eine wertvolle Ergänzung zur Gewaltfreien Kommunikation ist das Training der Mimikresonanz. Gerade bei Besprechungen und Verhandlungen verläuft ein Großteil der Kommunikation auf nonverbaler Ebene. Auch hierzu wird Führungskräften an () der Universität kaum oder kein Wissen vermittelt. Weil die Betroffenen intuitiv spüren, dass sie von diesen Fähigkeiten täglich profitieren können, stößt das Mimikresonanz-Training bei Führungskräften auf allergrößte Begeisterung. Mimikresonanz-Training hilft den Teilnehmern nicht nur dabei, Gesichter und deren Signale zu lesen, sondern vor allem auch Mikroexpressionen (also Emotionen, die kürzer als 500 Millisekunden über das Gesicht huschen) zu erkennen und zu verstehen. Unterdrückte Emotionen weisen auf Themen hin, die emotional besonders stark aufgeladen sind. Die Führungskraft erhält durch Mimikresonanz die Möglichkeit in kritischen Momenten schnell zu reagieren und verborgene Themen anzusprechen. Sie kann Beziehungen zwischen Gruppenmitgliedern und Stimmungen im Team besser einzuordnen. Sie registriert nonverbale Wiederstände und lernt mit GFK angemessen darauf zu reagieren.
Auf Basis von Gewaltfreier Kommunikation und Mimikresonanz lassen sich Konflikte nachhaltig klären. Dabei hilft Führungskräften Grundwissen zu Mediation. Mediation ist ein Verfahren, bei dem ein allparteilicher Dritter den Streitparteien bei der Konfliktbearbeitung hilft, ohne eigene Vorschläge zu machen und inhaltlich in den Prozess einzugreifen. Der Mediator hilft seinen Klienten, ihre Bedürfnisse klarer auszusprechen und Feindbilder abzubauen. Mit zunehmendem Verständnis und Vertrauen werden Lösungen möglich, die bis dahin nicht sichtbar waren. Mediation ist als Führungsinstrument interessant, weil es die Moderation spannungsgeladener Sitzungen und die Begleitung konflikthafter Umbruchsituationen erleichtert. Wer verbale Eskalation „einfangen” kann und in Konfliktsituationen eine wertschätzende Grundhaltung vorlebt, fördert ein respektvolles und zugewandtes Arbeitsklima. Außerdem erleichtert Mediation den Erhalt oder die Wiederherstellung gefährdeter Kooperationsbeziehungen. Im Wirtschaftsleben begegnet man sich meistens zweimal. Mit einer Win-Win-Lösung bleiben sich die Betroffenen in guter Erinnerung.
Entscheidungen sind ein weiterer besonders wichtiger Anteil im Alltag von Führungskräften. Ihre Qualität wirkt sich auf die Karriere aus. Die Brisanz von Entscheidungen spiegelt sich im Kleinen und im Großen. Unschuldige Weihnachtsprämien können ganze Abteilungen auseinanderreißen. Um noch mehr Geld, Image und Identifikation geht es bei Strategieentscheidungen wie Fusionen, Standortschließung oder Investitionen in F&E„. Wie Entscheidungen zustande kommen, ist Ausdruck der Kultur einer Organisation. Werden die Betroffenen in die Vorbereitung mit einbezogen? Wie wird zwischen Entscheidungsalternativen ausgewählt? Wer übernimmt Verantwortung? Schlechte Entscheidungen kosten Geld und spalten Team oder Organisation. Was jedoch macht eine gute Entscheidung aus? Österreichische Systemanalytiker kommen zu einem verblüffenden Ergebnis. Die rechnerisch besten Entscheidungssysteme drehen die klassische Messung von Zustimmung (Mehrheitswahl) um. Sie messen anstatt der Zustimmung für einen Vorschlag die Widerstände der Beteiligten gegenüber Entscheidungsalternativen. Der Vorschlag mit dem geringsten Widerstand ist der Vorschlag mit der größten Akzeptanz. Diesen Vorschlag hält die Gemeinschaft für die beste Idee. Der geniale Kniff bei der Messung von Widerständen besteht darin, dass sich Vorschläge bei dieser Methode nur dann durchsetzen lassen, wenn sie wenig Widerstand ernten. Damit eigene Vorschläge gewählt werden, müssen die Beteiligten die Bedürfnisse ihrer Gegner verstehen und berücksichtigen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschluss von den Betroffenen aktiv unterstützt und getragen wird. Immer mehr Unternehmen begreifen, dass Beteiligung und Einbeziehung im Blick auf vernetzte Teams und flache Hierarchien zum Schlüssel für Erfolg wird. Passende Entscheidungsmethoden liegen inzwischen vor. Selbst wenn Führungskräfte schlussendlich alleinverantwortlich entscheiden müssen, dient das Messen von Widerständen einer optimalen Entscheidungsvorbereitung.
Obwohl sich mit GFK, Mediation und neuartigen Entscheidungsverfahren ein Großteil von Konflikten abwenden und ein zugewandtes Teamklima erzeugen lässt, sind nicht alle Situationen im Konsens lösbar. Unternehmen und Organisationen brauchen eine gewisse Effizienz, um ihren Bestand und ihre Weiterentwicklung zu gewährleisten. Führungskräfte müssen deshalb Einhalt gebieten und Grenzen setzen können. Obwohl viele Führungskräfte von dem Handwerkszeug für diese besonders unangenehmen Aufgaben gehört oder gelesen haben (Mitarbeitergespräche, Einbeziehung des Betriebsarztes etc.), gehen sie seiner Handhabung jedoch häufig aus dem Weg. Auch hier ist wieder entscheidend, aus welcher Haltung die Führungsaufgabe angegangen wird. Die Gewaltfreie Kommunikation nennt einen sorgsamen Eingriff von oben „beschützende Anwendung von Macht”. Haltung drückt sich dadurch aus, ob es uns primär um Bestrafung oder um den Schutz elementarer Bedürfnisse geht. Haltung lässt sich daran erkennen, ob wir den Betroffenen nach der Verhängung von Sanktionen eine Perspektive für die Normalisierung der Beziehung anbieten. Ziel von beschützender Anwendung von Macht ist die Rückkehr zu bedürfnisorientierten Neuverhandlungen. Die entscheidenden Signale müssen natürlich schlussendlich von den Betroffenen selbst ausgehen. Denn eins ist auch klar: Verstehen bedeutet längst nicht immer, einverstanden zu sein.
Wie sich Nachhaltigkeit in der Führungskräfte-Entwicklung erreichen lässt und sich zunehmende Empathiefähigkeit positiv auf Mensch und Organisation auswirkt, erfahren Sie in den nächsten Teilen dieser Artikelserie:
Teil 3: Empathische Kommunikation im Führungsalltag – wie der Transfer gelingen kann
Teil 4: Case Studie – ein Trainingskonzept für 50 Führungskräfte und 600 Mitarbeiter
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