Empathie-Training
Organisationsentwicklung
Konfliktmanagement
Im letzten Teil seiner Serie über Empathic Leadership beschreibt Erfolgsautor Al Weckert, wie ein Unternehmen mittels GFK seine Kommunikationskultur verändert
Empathic Leadership Teil 4 in Empathische Zeit 3/2016
Wir schreiben das Jahr 2016 . Der Konflikt zwischen einem Mitarbeiter und dessen Führungskraft eskaliert. Der Mitarbeiter wird zum wiederholten Mal zu einem Gespräch eingeladen. Er wendet sich mit der Bitte an den Betriebsrat, an dem Gespräch teilzunehmen. Die Führungskraft bittet ihrerseits die Personalabteilung um Unterstützung. Was zu Frontenbildung oder einer Zuspitzung führen könnte, entwickelt sich jedoch zu einer erfolgreichen gemeinsamen Lösungssuche. Die Beteiligten haben alle an einer vertieften Ausbildung für Gewaltfreie Kommunikation teilgenommen. Sie erkunden deshalb zunächst die unterschiedlichen Standpunkte und Bedürfnisse. Dann suchen sie nach Strategien zur Krisenbewältigung. Obwohl das Gespräch niemandem leichtfällt, wird es zu keinem Zeitpunkt laut oder aggressiv. Im Gegenteil: Die Achtsamkeit in der Gesprächsführung fördert gegenseitiges Vertrauen. Das gemeinsame Erfolgserlebnis führt zu Selbstvertrauen und Glauben an die eigene Konfliktfähigkeit.
Dieser Echtfall ereignete sich vor wenigen Tagen im Rahmen eines der größten deutschen Projekte zum Thema „Gewaltfreie Kommunikation in Unternehmen und Organisationen”. 2011 beauftragte mich ein Großunternehmen damit, alle Führungskräfte und möglichst viele Mitarbeiter in Gewaltfreier Kommunikation (GFK) zu schulen. Das Projekt strebt eine nachhaltige Veränderung der Kommunikationskultur an. Dafür erhalten die Führungskräfte 24 Tage GFK-Training, die Mitarbeiter mindestens 3 und maximal 21 Tage. Arbeitskräfte mit besonderen Aufträgen (Callcenter, Auditoren, Mentoren…) besuchen ergänzende Spezialseminare. Alle Trainings sind präzise auf den Bedarf des Unternehmens und der Teilnehmer zugeschnitten. Die Themen werden vom Trainerteam vorgeschlagen und mit der Personalabteilung abgestimmt. Die Fallbeispiele stammen aus dem Teilnehmerkreis. Trainiert werden Haltung und Handwerkszeug, um wertschätzend und zielführend miteinander zu arbeiten.
Learning 1:Während das Trainerteam die Arbeit an der inneren Haltung betont, wünscht sich die Personalabteilung einen sicheren Transfer in den Arbeitsalltag und „Quick Wins” für die Teilnehmer. Beide Interessen finden im Projektverlauf zusammen.
Die Beteiligung der Geschäftsführung und des Managements sind ein wichtiger Erfolgsgarant für das Projekt. Die oberste Führungsebene beteiligt sich 2011 fast vollzählig an den Pi- EMPATHISCHE ZEIT 03 I 2016 lot-Seminaren. Anschließend verpflichtet sich die Geschäftsleitung zur Teilnahme an der ersten berufsbegleitenden lnhouse-Ausbildung (sieben Module a drei Tage, verteilt über den Zeitraum eines Jahres). Damit setzt sie mehrere wichtige Zeichen: 1. Dieses Projekt ist „Chefsache” und wird mit Priorität vorangetrieben. 2. Die Führung ist sich nicht zu fein, um auch ihre Kommunikation zu hinterfragen. Sie übernimmt Mitverantwortung. 3. Kulturwandel ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Er entwickelt sich im Dialog, nicht „im Auftrag”.
Learning 2: Wenn die Führungsspitze beim Kulturwandel vorangeht und eigene Ressourcen in das Projekt investiert, wird die Bedeutung des Projekts für alle Unternehmensangehörigen sichtbar.
Das Herz dieser Veränderungsarbeit schlägt in der Personalabteilung. Das Konzept der Personalleiterin und ihrer Personalentwickler verfügt über die nötige Strahlkraft, die man zum hausinternen „Klinkenputzen” benötigt. Kulturwandel kann nur Erfolg haben, wenn viele Kräfte an einem Strang ziehen. Nicht nur die Unternehmensleitung, sondern auch der Betriebsrat, die Finanzabteilung, das Management und weitere wichtige Player müssen überzeugt werden. Dafür sind viele Gespräche und Nachbesserungen nötig. Manche Pille muss geschluckt werden, mancher „geniale Einfall” lässt sich nicht umsetzen.
Learning 3:Ambitionierte Projekte müssen sich an die Unternehmensrealitäten anpassen. Gleichzeitig entfalten Sie nur Wirkung, wenn die Hauptanliegen abgesichert und umgesetzt werden.
Ein Beispiel aus dem Jahr 2012: An der ersten berufsbegleitenden GFK-lnhouse-Ausbildung nehmen die Geschäftsleitung, die Personalleitung, Führungskräfte aus dem Mittelbau, aber auch Mitarbeiter der unteren Hierarchieebenen teil. Es kommt dabei zu außergewöhnlich berührenden Begegnungen. Gleichzeitig können diverse Führungsthemen mit hoher Dringlichkeit nicht genügend geklärt werden. Wiederholt fühlen sich Mitarbeiter der unteren Hierarchieebenen unwohl, weil sie eigene Themen (wie zum Beispiel Schwierigkeiten mit ihren Vorgesetzten) nicht in Anwesenheit von Personalleitung und Geschäftsführung besprechen wollen. Die Personalabteilung zieht daraus die Konsequenz, dass Management und Mitarbeiter zukünftig in hierarchisch homogeneren Gruppen ausgebildet werden.
Learning 4:Jährliche Auswertungen und Konzeptanpassungen verbessern den Grad der Wirksamkeit.
Das Projekt startet 2011 mit a) gemischten dreitägigen GFK-Basisworkshops für jeden interessierten Mitarbeiter, b) monatlichen Übungsgruppen für die Absolventen der Basisworkshops und c) 21-tägigen berufsbegleitenden Jahresausbildungen für Führungskräfte und wichtige Multiplikatoren. An den Basisworkshops nehmen im Laufe der Zeit mehrere Hundert Mitarbeiter auf freiwilliger Basis teil. Dass sich fast jeder zweite Unternehmensangehörige (teilweise unter Einbringung von eigener Freizeit) an dem Projekt beteiligt, ist vor allem der Erfolg von intensiver Werbung durch die Personalabteilung. Aber auch die Mund-zu-Mund-Reklame durch die Teilnehmer zeigt Wirkung. Das durchschnittliche Feedback liegt im Bereich „sehr gut”. Doch am Anfang wird auch Kritik laut.
Ein Beispiel aus dem Jahr 2013: In den ersten zwei Projektjahren gibt es Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Projektziele. Den Beteiligten wird unterstellt, dass Kommunikation mit GFK manipulativ und deshalb ein Täuschungsmanöver sei. Zum Klassiker mutiert der Spruch: „Das war aber jetzt nicht gewaltfrei!” Solche Kommentare kommen bevorzugt von Unternehmensangehörigen, die nicht an GFK-Seminaren teilnehmen wollen. Besonders herausfordernd ist die Situation für Führungskräfte, die mit Hilfe der GFK anders und offener auf ihre Mitarbeiter zugehen wollen und sich für ihre „ersten Gehversuche” Vertrauen und Akzeptanz wünschen.
Learning 5:Kulturwandel braucht Geduld bei Befürwortern und Skeptikern. Die Geduld muss vor allem von denjenigen aufgebracht werden, die den Wandel vorantreiben.
Während sich Begeisterung und Generalverdacht zunächst frontal gegenüberstehen, verflüchtigen sich die Berührungsängste mit den Jahren zunehmend. Die Kritiker arrangieren sich mit dem Projekt, weil niemand durch die GFK Schaden erleidet. Die Multiplikatoren lernen die Anliegen hinter den Vorbehalten zu verstehen und anzusprechen (zum Beispiel Zweifel, ob man mit Gewaltfreier Kommunikation authentisch auftreten kann) . Viele ursprünglich kritische Mitarbeiter äußern heute Anerkennung dafür, dass sich die Kommunikationskultur im Unternehmen positiv verändert hat.
Ein Beispiel aus dem Jahr 2015: Eine Führungskraft, die der GFK kritisch gegenüberstand, beteiligt sich im Rahmen einer hausinternen Zertifizierungsmaßnahme an einem GFK-Basiskurs. Dort stellt sie fest, dass sich die Methode gut für Konfliktbearbeitung eignet. Anschließend fragt sie bei der Personalabteilung an, ob das Trainerteam einen Konflikt in ihrer Abteilung klären kann.
Seit 2014 trennt die Personalabteilung die Vertiefungsangebote für Mitarbeiter und Führungskräfte. Die unterschiedlichen Ausbildungen haben thematische Überschneidungen, aber auch Unterschiede bei der Auswahl der Schwerpunkte und Übungen.
Den Führungskräften werden sieben Module Training angeboten:
Ein wesentlicher Grund für die hohe Teilnehmerzufriedenheit ist die Arbeit an konkreten eigenen Fallbeispielen. erarbeitete das Trainerteam die Methoden anhand von allgemeinen beruflichen Fallbeispielen. Heute sammelt es die tagesaktuellen Teilnehmerthemen ein, die dann bei der Einführung der Methoden gezielt aufgegriffen werden. Dadurch identifizieren sich die Teilnehmer stärker mit dem Lernprozess. Außerdem kehren sie mit einen Sofortgewinn an den Arbeitsplatz zurück.
Learning 6: Die Teilnehmer müssen den Nutzen für ihren Alltag erkennen, um sich auf die hohe zeitliche Investition einzulassen.
Das wirkt sich auch auf die Seminartitel aus. Die berufsbegleitende Ausbildung für Führungskräfte hieß zunächst „GFK-Trainerausbildung”. Diese Bezeichnung wurde fallen gelassen, weil sich die Teilnehmer mit dem Trainer-Status nicht identifizierten. Eine Weile lang wurde der Name „Multiplikatoren-Ausbildung” diskutiert, doch hier fehlte der persönliche Bezug . Heute firmiert die Ausbildung unter dem Slogan „Erfolgreich Führen mit Achtsamer Kommunikation”.
Die Themen der Mitarbeiter
Den Mitarbeitern werden sechs Module Training angeboten.
Für die Mitarbeiter steht der Wechsel zwischen Selbstempathie (sich wahrnehmen, eigene Belastungsgrenzen artikulieren, Ärger bewältigen) und Empathie für andere (Kundenbedürfnisse verstehen, achtsames Auftreten im Team, die Beweggründe von Vorgesetzten wahrnehmen) im Mittelpunkt.
Mit der Zeit fordern immer mehr Führungskräfte Spezialtrainings für ihre Abteilungen und Teams an. Das Callcenter wird im Umgang mit gestressten Anrufern geschult. Die IT-Abteilung möchte freundlicher und effizienter mit den Anwendern kommunizieren. Auch das Qualitätsmanagement greift auf das Training der Gewaltfreien Kommunikation zurück, indem es die internen Auditoren auf schwierige Gesprächssituationen bei Feedback-Prozessen vorbereitet. Auch die Mentoren nutzen GFK bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
Mitarbeiter, die im Außendienst tätig sind, werden neuerdings im Umgang mit Beleidigungen, Bedrohungen und anderen Feindseligkeiten geschult. Diese Fortbildungen thematisieren die Chancen, aber auch die Grenzen von Empathie. Einerseits geht es darum, bei Stress so früh wie möglich aktiv zu deeskalieren. Anderseits geht es um das Erkennen von Gefahren und die Einleitung von Maßnahmen zum Selbstschutz (Stopp sagen, Flucht, Hilfe holen, Selbstverteidigung…). Nur wer auch die Grenzen von Empathie kennt, kann empathisches Auftreten in Extremsituationen verantworten und erfolgreich umsetzen.
Learning 7: Im Projektverlauf werden neue Themenfelder sichtbar. Sie aufzugreifen und in das Projekt einzubetten, macht das Projekt für weitere Zielgruppen attraktiv.
Die Veränderung einer Unternehmenskultur lässt sich nur schwer messen. In den fünf Jahren Projektarbeit veränderten sich unter anderem die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Arbeitsanforderungen. Es wurden Standorte verlegt und neu strukturiert. Führungspositionen wurden neu besetzt. Das Unternehmen spürt die Umbrüche am Arbeitsmarkt. Was für einen Einfluss haben diese Faktoren auf die Messwerte? Die Beurteilung der Führungskräfte im 360°-Feedback hat sich im Projektverlauf sichtbar verbessert. Aber kann das eindeutig den Kommunikationstrainings zugeschrieben werden? Sicher ist immerhin, dass sich immer häufiger Situationen wie die eingangs beschriebene Konfliktklärung beobachten lassen. In solchen Momenten wird sichtbar, dass die Akteure zunehmend auf die erlernte Haltung und das Handwerkszeug zugreifen können. Last not least: Das Unternehmen belegte einen Spitzenplatz bei einem großen Qualitätspreis. In der Beurteilung wurde die Methode der GFK ausdrücklich hervorgehoben. Verhalten ändert sich vielleicht nur langsam. Aber immer dann, wenn die Vision zur Realität wird, ist das ein Grund zum Feiern!
Mein Newsletter informiert Sie über aktuelle Termine, kommende Workshops und Wissenswertes zu Empathie. Der Newsletter wird ca. 1 mal im Monat ausgesendet, ist kostenlos und kann jederzeit abgemeldet werden.