Empathie-Training
Organisationsentwicklung
Konfliktmanagement
Zweiter Teil der Serie über Selbstmarketing – zusammengetragen von Al Weckert
Veröffentlicht in: Empathische Zeit 3/2017
Wie baut man ein erfolgreiches Unternehmen auf? Wie kommt man als Trainer oder Coach zu hoher Nachfrage und angemessenen Honoraren? Die Antwort ist einfach: Indem man Zeit und Energie in die Klärung und Verbesserung der eigenen beruflichen Strategie investiert. Doch was ist eigentlich eine Strategie? Und warum arbeiten erfolgreiche Unternehmen mit strategischer Planung? In diesem Artikel möchte ich Ihnen ein Werkzeug vorstellen, mit dem viele Großunternehmen die Erreichung ihrer Ziele planen und überwachen: die Balanced Scorecard. Im Rahmen eines Selbstversuchs habe ich es sechs Monate lang für die Zwecke eines Freiberuflers getestet – mit durchschlagendem Erfolg. Am Beispiel meines Trainingsunternehmens möchte ich Ihnen vorstellen, wie die „ Balanced Scorecard” den wirtschaftlichen Erfolg und die Arbeitszufriedenheit selbständiger Trainer und Coaches steigern kann. Dafür müssen Sie sich allerdings auf ein wenig Betriebswirtschaftslehre einlassen. Ich habe versucht, Ihnen das so leicht wie möglich zu machen.
Wenn große Unternehmen und Organisationen festlegen, auf welche Art und Weise sie ihre Ziele erreichen wollen, nennt man den daraus hervor gehenden Plan „Strategie“. Strategie hört sich erst einmal großartig an. Das Konzept hat aber einen Pferdefuß: die mangelnde Planbarkeit der Wirklichkeit. Fragen Sie bei den Architekten des Berliner Flughafens BER nach. Bert Brecht schrieb dazu: „Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ‘nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht.” Deshalb wurde der Strategiebegriff inzwischen grundlegend erweitert. Zu strategischer Planung kommt nun als B-Seite „Steuerung” dazu. Das Unternehmen misst die Erreichung der Ziele anhand vorher definierter Kennzahlen und korrigiert dann die Strategie, wenn der Pfeil nicht ins Schwarze trifft.
Als ich mich vom Volkswirt zum Organisationsentwickler weiterbilden ließ, hatte meine Lerngruppe die Aufgabe, das Thema „Steuerung” zu erklären. Dabei stieß ich auf die Methode der „Balanced Scorecard” .Was zunächst wie eine etwas angeberische Phrase der Betriebswirtschaftslehre klang, entpuppte sich als hintergründiges Denkmodell, das meine Art zu arbeiten veränderte. Es handelt sich um einen „Berichtsbogen” (Scorecard) , der die Erreichung unterschiedlicher Unternehmensziele (Finanzen, Menschen, Umwelt etc.) ausgewogen im Blick behält (Balanced). Er sorgt dafür, dass sich Unternehmen ganzheitlich weiterentwickeln, nicht nur in Punkto Umsatz oder Größe.
Eine Balanced Scorecard betrachtet das Unternehmen aus vier Perspektiven:
Im Rahmen unserer Weiterbildung diskutierten wir die Frage, ob das Instrument der Balanced Scorecard auch für kleine Unternehmen und Freiberufler anwendbar ist. In der Literatur fanden wir ausschließlich Beispiele aus Großunternehmen und Konzernen. So wurde die Idee geboren, eine Balanced Scorecard für mich als Kommunikationstrainer zu schreiben. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Es hat wunderbar funktioniert und mein Arbeits-, aber auch mein Privatleben vollständig umgekrempelt. Allerdings muss ich ehrlich hinzufügen: Es war verflucht viel Arbeit.
An dem Projekt beteiligten sich vier Ausbildungsteilnehmer: ein Unternehmensberater aus der Industrie, ein leitender Gewerkschaftsfunktionär, der Geschäftsführer eines Biotechnologie Startups und ich (Trainer, Buchautor, Organisationsentwickler) . Besonders wertvoll bei dieser Konstellation war die Mischung aus Erfahrung, unterschiedlichen Perspektiven und gemeinsamer Haltung (humanistisch, wertschätzend, systemisch).
Der Beratungsprozess hatte drei Ziele:
Unsere Ausbildung hat einen besonderen Beratungsansatz, den man als „komplementär ” bezeichnet Die Beratung findet auf zwei Ebenen statt. Einerseits auf der fachlichen Ebene (Hilfestellung für die besondere Situation freiberuflicher Kommunikationstrainer: Organisation, technischer Bedarf, Vertrieb etc.). Andererseits die Prozess-Ebene, auf der der Klient (in diesem Fall ich) seine Situation verstehen und passende Lösungen entwickeln lernt. Dafür erforscht er das eigene Erleben, Verhalten, seine Haltung und Einstellungen.
Ist-Zustand und Ziele wollten wir in einem Interview ermitteln. Für die fachliche Ebene griffen wir auf die Ratgeber-Literatur für Coaches und Trainer zurück. Für die Prozessebene nutzen wir Fragen aus der Organisationsentwicklung und dem Change-Management. Insgesamt kamen mehr als 60 Fragen zusammen.
→ Wer sind die Kunden?
→ Was ist das Produkt?
→ Über welche Wege kommt ein Klient zu Ihnen?
→ Worüber wird bei uns geredet – und worüber nicht?
→ Was ist das Besondere an uns? Was unterscheidet uns von anderen?
→ Welche für Ihr Geschäft relevanten Trends erwarten Sie?
→ Warum wird Beratung gerade jetzt angefragt?
→ Auswahl von Fragen zum Verständnis der Vision und Ziele
→ Wie kann und soll Zukunft aussehen? „Wer sind die Kunden? Was ist das Produkt?
→ Welche Mitarbeiter, Kollegen, Partner (inkl. Funktion) tauchen im idealen Arbeitstag auf?
→ Was sollte sich bei uns verändern?
→ Was sollte gleichbleiben?
→ Wie sieht die Vision aus, die uns leisten soll (auch als Bild oder Metapher)?
→ Welche Träume träumen Sie?
→ Wie soll sich Ihre private Situation entwickeln?
→ Welche Mittel zur Steuerung gibt es?
→ Wieviel Zeit wollen Sie in Online-Marketing investieren? Mit welchen Zielen?
→ Wie erkennen wir, ob wir in Balance sind oder nicht?
→ Welche Folgeprobleme, die durch die Veränderung entstehen, müssen beachtet werden?
→ Sind alle relevanten Entscheidungsträger in den Strategieprozess eingebunden?
→ Gibt es einen verbindlichen Projektplan?
→ Welche begleitenden Maß nahmen sind zur Unterstützung des Prozesses vorgesehen?
Weil der Beratungsprozess durch sechs Wochen Sommerpause unterbrochen wurde, entstand die Idee, dass ich die Fragen zu Gegenwart, Vision und Steuerungsmöglichkeiten als Selbstinterview mit in den Urlaub nehme. In Korsika, Sardinien und Rom habe ich jeden Tag 30 Minuten auf die Beantwortung von jeweils drei Fragen verwendet – egal ob im Flugzeug, am Strand oder auf der Fähre. Nach meiner Rückkehr habe ich die Ergebnisse in eine digitale Mega-Mindmap übertragen. Das Ergebnis schickte ich per Mail an das Beratungsteam zurück. Darauf basierend wurden die ersten Hypothesen gebildet.
In den Beratungssitzungen arbeiteten wir überwiegend mit offenen Interviews und der Methode des „ Reflecting Teams“. Nach der Präsentation der Selbstinterviews bekamen die Berater Gelegenheiten zu Verständnisfragen. Anschließend wechselten wir die Rollen. Ich schlüpfte in die Zuhörerrolle, während sich die Berater miteinander unterhielten als sei ich gar nicht anwesend. Dabei formulierten sie Hypothesen zu gelingenden Prozessen, aber auch zu blinden Flecken und Ungereimtheiten meiner Strategieentwicklung.
Bis zur Niederschrift des Strategiepapiers gab es mehrere derartige Feedbackschleifen. Schritt für Schritt traten neue Ziele und neue strategische Möglichkeiten deutlicher zu Tage. Die bestehenden Unschärfen im Blick auf das eigene Schaffen wurden bereinigt. Dafür musste ich Hausaufgaben abarbeiten (z. B. festlegen, mit welchen Kennzahlen ich den finanziellen Erfolg messe oder in welche konkrete Richtung die berufliche Weiterbildung verläuft). Abgeschlossen wurde der Prozess mit dem Ausformulieren eines fünfseitigen Strategiepapiers.
Das Strategiepapier beantwortet alle relevanten Fragen zu meinen Produkten, der Marktlage und den bestehenden Strukturen, Kunden und Ressourcen. Es beschreibt die Vision, die Nah- und die Fernziele. Die Strategie zur Zielerreichung wird im Detail dargestellt: Positionierung, Büroorganisation, Vertriebsstruktur, Marketing, Weiterbildung und Beratung.
Unter dem Schlagwort „Steuerung” werden die konkreten Ziele für die nächsten drei, fünf und zehn Jahre inklusive Kennzahlen (z.B. Kundenzahl, Weiterbildungen, Umsatz …) aufgeführt.
Im nächsten Schritt wurden im Strategiepapier die vier Ebenen der Balanced Scorecard ausformuliert.
Dazu musste ich passende Kennzahlen vorweisen, anhand derer sich objektiv überprüfen lässt, ob Ziele erreicht oder verfehlt wurden. Hier einige ausgewählte Beispiele:
Bei der Arbeit an den systemischen Fragen tauchte relativ bald die Frage nach der Gesundheit, der Partnerschaft und der Familie auf. In den Vorjahren hatte ich extrem viel gearbeitet und an Büchern geschrieben. Ich wollte die Gesamtbelastung deutlich reduzieren. Gleichzeitig wurden im Strategieprozess gigantische Aufgabenberge sichtbar.
Auf diesen Widerspruch wiesen mich die Berater immer wieder hin. Trotzdem klemmte ich mich zunächst wie ein Verrückter hinter die Abarbeitung der neuen strategischen Aufgaben. Dann wurde mir klar, dass meine Berater Recht hatten. Das Programm war einfach nicht machbar. Nach zwei Jahren Dauerrotation führte ich den Feierabend ein, nach drei Jahren begann ich regelmäßig Sport zu treiben. Als nächstes vereinbarte ich zwölf Ausflugswochenenden pro Jahr mit meiner Frau. Heute sind alle Ferien komplett für die Kinder geblockt. Der körperliche und seelische Entspannungseffekt ist überragend.
Parallel zum Strategiepapier lässt sich die Stategy Map (Strategie-Landkarte) herstellen. Jede Investition und jede Maßnahme muss sich auf die jeweils nächste Ebene der Balanced Scorecard auswirken. Beim Erstellen dieser Grafik überprüft das Beraterteam, ob die Strategie eine überzeugende Logik hat. Falls nicht, muss der Strategieprozess neu aufgerollt werden.
Vergleichen Sie bitte zu den nachfolgenden Beispielen die dazugehörige Abbildung links:
Forschung ermöglicht das Schreiben neuer Fachbücher, die wiederum das Expertenimage erhöhen. Die damit verbundene Verbesserung der Sichtbarkeit führt zu einer Erhöhung der Empfehlungsrate und in der Folge zu Neukundengewinnung.
Die Schulung der Büroangestellten und der externe Büroservice führen zu einer besseren Bürostruktur und einer höheren Erreichbarkeit. Dadurch verkürzen sich die Reaktionszeiten. Neukunden erreichen ihr Ziel.
Im Zuge der neuen Vertriebs- und Marketingstruktur werden die Trainingsangebote für den Kunden klarer verständlich. Die erhöhte Sichtbarkeit führt zu Neukundengewinnung und erhöhter Kaufbereitschaft der Bestandskunden. Darauf folgen höhere Umsätze.
Als letztes Hauptelement nimmt das Strategiepapier die Art der Steuerung unter die Lupe. Steuerung unterscheidet Strategie von guten Vorsätzen und Wunschdenken. Beispielsweise ist eine neue Homepage schnell als Ziel ausgegeben. Aber der Produktionsprozess frisst unglaublich viel Energie. Ein gutes Beraterteam hinterfragt solche Ziele gnadenlos. Es fragt nach konkreten Zeit- und Mengenangaben und der Art der Erfolgskontrolle.
Durch die Arbeit mit der Balanced Scorecard habe ich ein völlig neues Verständnis für meine Rolle als Unternehmer gewonnen. Heute verkörpern ein neues Logo und ein neues Corporate Design die Werte meines Unternehmens nach außen. Die Konzepte und Broschüren, die ich exakt auf die Fragen meiner Gesprächspartner (Personalverantwortliche) zugeschnitten habe, erleichtern den Verkauf meiner Seminarangebote ganz erheblich. Die Standardisierung der Prozesse und Materialien (Ablaufpläne, Skripte etc.) vereinfachen die Beschäftigung von Trainern meines Netzwerks und die Kooperation mit Seminarveranstaltern. Die neue Vertriebsstruktur nimmt mir Akquise-Prozesse ab, sodass ich mich auf die Gespräche mit den Entscheidern konzentrieren kann. Fazit: In meinem Unternehmen ist kein Stein auf dem anderen geblieben.
Allerdings hat der Rollout (die praktische Umsetzung) der Strategie doppelt so lange gebraucht, wie ursprünglich geplant. Er hat mich zeitweilig an meine persönliche Belastungsgrenze gebracht. Durch die Zusammenarbeit mit den Beratern habe ich neue Ziele und Steuerungselemente zur Work-Life-Balance in den Prozess integriert. Eine Balanced Scorecard ist ein dynamischer Lernprozess. Mit dem vorläufigen Ergebnis bin ich überaus zufrieden. Den zukünftigen Entwicklungen stehe ich neugierig und zuversichtlich gegenüber. Das Chaos lässt sich niemals ganz beherrschen. Aber Strategie vereinfacht es, den Kurs zu halten und ruhig und entschlossen auf Wendungen zu reagieren.
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