Empathie-Training
Organisationsentwicklung
Konfliktmanagement
Vorteile des Training von Schriftbild und Flipchartgestaltung für die Konfliktvermittlung
von: Al Weckert
in: Spektrum der Mediation (Oktober 2011), S. 46-49
Neulich zeigte der Fernsehsender Arte eine Dokumentation über Fußabdrücke von Sauriern. An einem bedeutenden Fundort wurden die Archäologen aus dem Durcheinander der Spuren nicht schlau. Ich musste grinsen. Die gezeigten Versteinerungen erinnerten mich an die Linien und Zeichen, die ich häufig auf gebrauchten Flipchartbögen beim Betreten fremder Konferenzräume vorfinde. Wie fühlen sich Teilnehmer, wenn die Moderatorin immer mehr Abkürzungen und Linien auf ein und dasselbe kleine Blatt Papier kritzelt? Ich selbst war irritiert und ärgerlich, als ich neulich Moderationskarten, die mein Supervisor für mich beschriftet hatte, mitnehmen durfte, zu Hause aber nicht mehr entziffern konnte.
Mit Diagrammen, Skizzen, Grafiken und Kartenabfragen können Sie eine Konfliktklärung nur dann wirkungsvoll unterstützen, wenn Sie zwei Dinge beachten: (1) Erst indem Sie die Grundregeln der Bildgestaltung {Farben, Abstände, Überschriften…) kennen und beachten, erleichtern Sie die lnformationsaufnahme und -verarbeitung. (2) Eine gut lesbare Handschrift setzt das regelmäßige Training eines sauberen Schriftstils voraus.
Konfliktvermittlung ist ein hochgradig emotionaler Prozess. Die Streitparteien kämpfen aufgeregt um ihre Positionen. Der Spruch »Ein Bild sagt mehr als tausend Worte« gilt jedoch umso stärker, je höher der Grad der Anspannung ist. Von der ersten bis zur letzten Phase der Mediation können Visualisierungen dazu beitragen
Es lohnt sich, angehenden Mediatorlnnen bereits frühzeitig Grundkenntnisse der Visualisierung zu vermitteln und begleitend zur Ausbildung immer wieder dazu einzuladen, diese Mittel bei der Kleingruppenarbeit und in den lntervisionsgruppen einzusetzen.
Jede Art von Information – egal ob es sich um sogenannte »harte Fakten« oder Gefühle und Bedürfnisse handelt – lässt sich grafisch darstellen. Je größer die Gruppe ist, desto wichtiger ist Visualisierung, um den Überblick zu behalten.
Beispiel 1: Ein zerstrittenes Marketingteam erzählt nacheinander von seinem Konflikt. Das Mediationsteam zeichnet offizielle Hierarchien im Stile eines Organigramms an eine Stellwand und stellt inoffizielle Beziehungen in Form von Verbindungslinien oder Wettersymbole auf einer zweiten Pinnwand dar. Zusätzliche »ZDF-Informationen « (Zahlen, Daten, Fakten) können jederzeit am Rand der Grafik als Sprechblasen eingebettet werden.
Streitparteien sind häufig überrascht, wenn das Mediationsteam das Bild, das sie vom Konflikt liefern, für sie aufzeichnet. Eine wirkungsvolle Alternative zu dieser Vorgehensweise ist die Visualisierung durch die Konfliktparteien selbst.
Beispiel 2: Die Mitglieder einer zerstrittenen Forschungsgemeinschaft werden vom Mediationsteam dazu eingeladen, ihre Wahrnehmungen der praktischen Zusammenarbeit in Form eines »inoffiziellen« Organigramms als Einzelarbeit aufzuzeichnen. Die Wirkung der anschließenden Gegenüberstellung ist sehr erstaunlich. Die Konfliktparteien stellen fest, dass sich die Bilder aller Parteien nahezu gleichen. Darüber hinaus fällt auf, dass auf allen Bildern eine Schlüsselperson eingezeichnet wurde, die zur Mediation nicht eingeladen wurde. Bilder helfen den Konfliktparteien ihre Wahrnehmung kraftvoll auszudrücken. Sie unterstützen das Mediationsteam dabei, im nachfolgenden Gespräch zeiteffizient die wesentlichen Schmerzpunkte und Bedürfnisse zu besprechen, anstatt sich in den Details der Konflikthistorie zu verlieren.
Beispiel 3: Die Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung werden vom Mediationsteam darum gebeten, ihre Sichtweise auf den Konflikt grafisch darzustellen. Eine Pflegerin färbt den kompletten Malblock mit Wachsmaikreide schwarz. Mit Worten hätte sie ihre Frustration und Hoffnungslosigkeit kaum annähernd so deutlich darstellen können.
Noch niemand ist als Illustrator vom Himmel gefallen. Nur wer die Vorteile von Visualisierung in eigenen Mediationsfällen konkret miterlebt, wird motiviert sein, seine Fähigkeiten zu verbessern und kontinuierlich zu erweitern
Phase 1: -Ein Willkommensplakat trägt zur räumlichen Orientierung und zur Entspannung bei. Wenn Sie gemeinsam mit den Teilnehmenden Vereinbarungen zu Gesprächsregeln (»Der sichere Rahmen«), zum Tagesablauf oder zum Ablauf des Mediationsverfahrens treffen, können Sie die Inhalte vorab oder während ihres Vortrags stichpunktartig zusammenfassen und für den weiteren Verlauf der Mediation gut sichtbar an der Wand befestigen. Auch andere Methoden der ersten Mediationsphase (wenn Konfliktparteien zum Beispiel ihre Erwartungen und Befürchtungen zum Verfahren aufschreiben sollen), arbeiten mit großen Plakaten, Moderationskarten und Markern, Stellwänden und Flipchartständern
Phase 2: Bei der Sammlung der Konfliktthemen (egal ob auf Zuruf oder in Form einer Kartenabfrage) hilft Ihnen erneut eine Pinnwand. Größere Gruppen haben oft eine Vielzahl unterschiedlicher Anliegen zu klären. Die Arbeit mit Moderationskarten bietet den Vorteil, dass sie diese beliebig umgruppieren können, wenn sich Wiederholungen oder Themenverwandtschaften ergeben. Anschließend kann die Reihenfolge der Konfliktbearbeitung zum Beispiel durch die Vergabe von Klebepunkten ermittelt werden.
Phase 3: Für die Darstellung der Sichtweisen und die Erhellung der dahinter verborgenen Bedürfnisse bietet sich eine Vielzahl von Methoden an. Weiter oben wurde bereits auf das Zeichnen von Konfliktlinien verwiesen. Bei der Methode »Autoteile« fragt das Mediationsteam, als welches Autoteil sich die Teilnehmenden wahrnehmen und welches Teil sie im Gesamtgefüge jeweils gern wären. Anhand der Visualisierung wird schnell deutlich, welche Konflikte sich aus der aktuellen Teamaufstellung ergeben und welche Veränderungen Hinweise auf gute Lösungen liefern können.
Phase 4: Bei der Lösungssuche werden häufig klassische Formen des Brainstormings oder der Kartenabfrage eingesetzt. Visualisierung ist hier unabdingbar, um die Dokumentation aller Ideen zu sichern. Eine Abwechslung stellt die Methode »Kuchenstücke« dar, bei der die Streitparteien leere Papierdreiecke (sogenannte Tortenstücke) eines großen Lösungskuchens in die Hand bekommen, auf die sie in sehr konkreter Form ihre individuellen Beiträge zur Lösung des Konflikts notieren können.
Phase 5: Die Vereinbarung in der letzten Mediationsphase sollte so konkret wie möglich vorgenommen werden, um Missverständnisse und späteren Streit um die Ergebnisse zu vermeiden. Auch die Unterschrift unter einen »Aktionsplan « ist Bestandteil von Visualisierung und trägt zur Verbindlichkeit bei.
Auch das Verteilen von Handouts gehört in den Bereich der Visualisierung. Wenn Sie in der Anfangsphase einige Vorschläge für Vereinbarungen (zum Beispiel zum Thema Vertraulichkeit) austeilen, erreichen Sie mehrere Effekte: Die Teilnehmer bauen durch das Weiterverteilen der Fotokopien Nervosität ab und fokussieren sich anschließend auf einige wenige Kernbotschaften.
Für die Anmoderation von Methoden können Sie ein vorbereitetes Flipchart- Plakat mitbringen, das die wichtigsten Einzelschritte der Methode auflistet und ein aussagekräftiges und einladendes Bild enthält. Wenn sich Ihre Anmoderation nachvollziehbar und deutlich auf die visualisierten Schritte bezieht, können die Teilnehmenden den Ablauf anschließend beliebig langsam noch einmal innerlich rekapitulieren. Die Zahl der Verständnisfragen halbiert sich, Sie gewinnen Zeit, die Teilnehmenden bauen Scheu ab und alle gemeinsam sparen geistige Ressourcen für den eigentlichen Mediationsprozess.
Eine professionelle Moderationshandschrift zeichnet sich dadurch aus, dass sie von unterschiedlichsten Personen und von möglichst vielen Blickwinkeln des Raumes aus gut zu lesen ist. Gleichzeitig muss sie einigermaßen schnell aus dem Handgelenk fließen, damit sie den kreativen Prozess in heißen Phasen der Ideenproduktion nicht stört, sondern sanft im Hintergrund begleitet.
Auch wenn Sie nicht zum Kreis der Auserwählten gehören, die schon in der Schule Aufsätze wie Kunstmaler schrieben, brauchen Sie nicht zu verzweifeln. Eine brauchbare Moderationshandschrift lässt sich trainieren! Was Sie dafür brauchen sind wenige Materialien aus dem Schreibwarenfachhandel:
Als Schreibvorlage können Sie die Computerschrift der Firma Neuland benutzen, die sich in gängige Texterzeugungsprogramme wie Word importieren lässt. Mit dieser Schrifttype können Sie auf Ihrem Rechner Texte schreiben und ausdrucken, die aussehen, als wären sie mit einer optimal leserlichen Handschrift geschrieben worden. Übertragen Sie diese Texte nun langsam und sorgfältig Buchstabe für Buchstabe mit breiter Feder in ihr Schreibheft. Wenn Sie auf diese Weise täglich üben (oder zum Beispiel Ihr Tagebuch schreiben), stellen sich innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen nachhaltige Erfolge ein.
Wechseln Sie anschließend über zu Board- oder Moderationsmarkern und dem Üben auf Flipchartpapier oder Whiteboard. Gute Moderationsmarker haben eine breite Spitze und können nachgefüllt werden. Bei Schreibmaterialien zahlt sich die Investition in Profimaterialien aus. Die Marker der Firma Neuland sind beispielsweise mit einer kleinen Markierung für Ihren Zeigefinger ausgestattet. Wenn Sie beim Schreiben die Markierung fühlen, sitzt der Stift optimal auf dem Papier und liefert die gewünschte Linienbreite.
Verlassen Sie sich als Mediatorln niemals auf die Schreibmaterialien Ihres Auftraggebers, sondern führen Sie stets ein eigenes Sortiment mit sich. Zur Grundausstattung der Mediatorlnnen gehören ein Set bunter und ein Set dicker bunter Moderationsmarker für Überschriften, Nachfülltinte für die meistverwendeten Farben, ein Set bunter Wachsmalstifte für Unterstreichungen und das Füllen von Bildern, Moderationskarten in unterschiedlichen Farben und Formen, Schere und Kreppband, Pinnnadeln und ein Klebestift.
Die Beachtung weniger grundlegender Prinzipien verwandelt ein unleserliches Flipchart-Plakat in eine professionelle Visualisierung, die sich schnell und gut erfassen lässt und dem Auge schmeichelt.
Al Weckert hat im Juli 2011 gemeinsam mit den Kollegen Christian Bähner, Monika Oboth und Jörg Schmidt eine Auswahl von Visualisierungsvorlagen für alle Mediationsphasen in dem Buch „Praxis der Gruppen- und Teammediation. Die besten Methoden & Visualisierungsvorschläge aus langjähriger Mediationstätigkeit“ im Junfermann-Verlag veröffentlicht.
(c) Al Weckert 2011
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